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Der Jubiläumsband.

© Wagenbach

Buchmarkt: Verführung in Rot

Der Berliner Verlag Klaus Wagenbach feiert den 200. Band seiner Geschenkbuchreihe Salto mit einem "Lob der Schulden"

Von Gregor Dotzauer

Der Salto vorwärts in gehockter Stellung gehört zu den Überkopfbewegungen, die sich nur schwer in den Ablauf turnerischer Vorführungen einbauen lassen. Etwas leichter verhält es sich mit dem Salto rückwärts. Aber nachdem es hier um das Jubiläum der im Berliner Verlag Klaus Wagenbach erscheinenden Buchreihe Salto geht, ist es ziemlich egal, in welcher Richtung das gestürzte A, das zwischen den anderen Logo-Versalien auf den knallroten Leineneinbänden prangt, dabei auf den Kopf gefallen ist.

Als der Alt-Verleger, ein passionierter Träger roter Socken, und sein damaliger Hersteller Rainer Groothuis das jackentaschengroße, fest gebundene Format mit den eingeprägten Autorennamen und dem eingeklebten Titelschildchen 1987 erfanden, war dies für den zuvor fast nur broschurerfahrenen Verlag ein Sprung ins kalte Wasser – ohne dass die Beteiligten fürchten mussten, einen Sprung in der Schüssel zu haben. Denn der mit Geschenkreihen damals noch nicht übermäßig gesegnete Buchhandel hatte auf einmal einen Augenfang – und die dezente Insel-Bücherei und die Bibliothek Suhrkamp bekamen eine strahlende Ergänzung. Und das Volk verstand die Signale.

Während die Traditionsreihen bis heute vor allem die Sammler anziehen, legen es die Salti darauf an, sich als Mitbringsel zu verstreuen. Und: Wenn es auch keine zuverlässigen Untersuchungen über die Stellpolitik in deutschen Bücherregalen gibt, so darf man doch behaupten, dass die Suhrkamp- und Inselbände in der Regel zusammenstehen, während sich die Salti ins Alphabet oder das allgemeine Chaos fügen. Ein spezial gelagerter Sonderfall sind höchstens die Reclam-Hefte, die vor allem deshalb nach solidarischer Nachbarschaft schreien, weil sie sonst zwischen den größeren Formaten verschwinden.

Mit Nathalie Sarthou-Lajus’ Essay „Lob der Schulden“, einem Versuch, die soziale Bindungsfähigkeit eines untilgbaren anthropologischen Phänomens neben den Tausch und die Gabe zu stellen, erscheint dieser Tage nun der 200. Band: mit 96 Seiten von durchschnittlichem Umfang und mit einem Preis von 13,90 Euro zwei Euro unterhalb der selbst gesetzten Obergrenze.

Mehr als zwei Millionen Exemplare mit 100 000 Quadratmeter gefärbtem Leinen und 2600 Kilometern Bindefaden haben in den vergangenen 23 Jahren die Produktionsstraßen passiert. Einen beträchtlichen Teil davon verschlang die Herstellung von Alan Bennetts hochironischer Hommage an die Queen: „Die souveräne Leserin“. Sie hat sich bis heute rund 400 000-mal verkauft.

Frechheit, gepaart mit Charme: Das ist seit jeher der literarische Ton, den Wagenbach am liebsten pflegt und den die Salti noch etwas populärer aufnehmen. Erweitert um kulturhistorische Essays, literarische Städteporträts und belletristisch angefütterte Kochbücher springen sie in alle Richtungen – und fühlen sich in den unterschiedlichsten Umgebungen wohl.

Die Zeiten, als Salti stapelweise in Weinhandlungen auslagen, neigen sich zwar dem Ende zu, aber inmitten der sonstigen Unwägbarkeiten des Büchermachens sind sie für Wagenbach und seine jetzige Verlegerin Susanne Schüssler nach wie vor eine kalkulierbare Größe – anders als die meisten Reihen, die unter weithin schwindenden Auflagen leiden. Das gilt für die Andere Bibliothek wie für die Insel-Bücherei – nicht aber für den Nimbus, der sich mit ihnen verbindet. Nicht zufällig kupferte Hoffmann und Campe in den letzten Jahren mit einigen Titeln die Insel-Bücherei ab – sehr zum juristischen Verdruss der Urheber. Wagenbach hat sich rechtzeitig vor solchen Zumutungen geschützt. Seit 1992 ist Salto eine Marke. Anders proportioniert ist der Leinenband mit dem Klebeschild dennoch zum Klassiker geworden.

Ein Abenteuer steht indes noch aus. Die Reihe hat sich noch nie eine Reise zu ihrem Namensgeber am Ufer des Rio gegönnt. Salto, Uruguays drittgrößte Stadt, scheint literarisches Potenzial zu haben. Immerhin hat sie den großen Horacio Quiroga hervorgebracht.

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