zum Hauptinhalt

Kultur: Buchpreisbindung: Im World Wide Web ist bald der Löwe los - Die Libro AG eröffnet den Preiskampf

Der Begriff des "Tainment" ist ein schwer zu übersetzender Neologismus aus der Welt der Kommerzsprache. Eigentlich macht er erst Sinn, wenn man ihn mit den Vorsätzen Enter-, Info- oder Edu- ergänzt.

Der Begriff des "Tainment" ist ein schwer zu übersetzender Neologismus aus der Welt der Kommerzsprache. Eigentlich macht er erst Sinn, wenn man ihn mit den Vorsätzen Enter-, Info- oder Edu- ergänzt. Der österreichische Mediengroßhändler "Libro" hat den Begriff trotz oder gerade wegen seiner modischen Beliebigkeit zum Wappenspruch erkoren. Konzernchef André Rettberg führt ihn nun als Schlachtruf in die deutsch-österreichische Kampfzone des europäischen Wettbewerbs. Libro-online, der Internet-Ableger seiner Laden-Kette, will bis zu zwanzig Prozent Rabatt auf Bestseller gewähren, die man im Netz bestellt, und trifft prompt auf den Widerstand der organisierten deutschen Buchhändler. Bereits am Freitag kündigte der Börsenverein des deutschen Buchhandels rechtliche Schritte gegen den "angekündigten Gesetzesbruch" an (Siehe Tagesspiegel vom 24. Juni).

Schöne günstige Welt

"Libro" ist die Wühltischvariante des österreichischen Buchhandels. Im Mutterland verramscht die Aktiengesellschaft in 273 Filialen neben Büchern so ziemlich alles, was im weitesten Sinne unter Medien fällt: CDs, Kassetten, Software, aber auch Schreibwaren, Deko-Bedarf und Mode-Nippes. Der Umsatz liegt bei 670 Millionen Mark im Jahr. Nun drängt der Konzern, dessen Vorstandsvorsitzender André Rettberg bereits 1996 mit einer Beschwerde bei der EU die Buchpreisbindung kippen wollte, auch auf den deutschen Markt. Die in der vergangenen Woche eröffnete Berliner Filiale im Europa-Center gibt der Worthülse des "Tainment" zwischen Aufstellern, Grabbeltischen und bunten Monitoren Gestalt.

Unter Leuchtschildern, die "schöne günstige Welt" oder "Best of Lifestyle" heißen, stapeln sich Bücher wie "Hunde - Freunde fürs Leben" neben Computerspielen wie "Die Rache der Sumpfhühner". Eine durchschnittlich sortierte CD-Abteilung vereint Musik von Brahms bis Basie, es gibt jede Menge "Best of"-Boxen. Bunte Polstersessel federn die Entscheidung zwischen Stephen King oder John Grisham ab, ein reichhaltiges Sortiment an Bildbänden zum Thema "schöner Wohnen", mal mit und mal ohne Feng Shui, ergänzt das Angebot.

Zwischen den Bestsellern gibt es Windel-Winnies aus Plüsch, Deckeltassen oder Hackenporsches zu kaufen. Den Stein des Anstoßes birgt die erste Etage, wo die Themen aus dem Eingangsbereich noch einmal variiert werden. Hier darf man an mehreren Computerarbeitsplätzen gratis im World Wide Web surfen, künftig soll man hier Bücher auf der Website www.lion.cc zu Preisen unter dem deutschen Preisniveau bestellen können. Hintergrund dieses Verfahrens ist eine Verlautbarung der EU-Kommission, die seit dem 1. Juli alle grenzüberschreitenden Preisbindungsverträge zwischen österreichischen Verlegern und deutschen Buchhändlern außer Kraft setzt.

"Grenzüberschreitende Verkäufe von Verlagserzeugnissen an Endabnehmer in anderen Mitgliedsstaaten der EU als dem Staat, in dem der Verkäufer ansässig ist", unterliegen demnach nicht der Preisbindung. Dies gilt ausdrücklich "für grenzüberschreitende Direktverkäufe an Endkunden von und nach Deutschland über das Internet", heißt es weiter. Der Börsenverein sieht in der Libro-Strategie dennoch eine versuchte Umgehung der Preisbindung: Der Internet-Verkauf verstoße gegen die so genannte Re-Importklausel des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die eine Preisbindung derjenigen Verlagserzeugnisse garantiert, die "allein zum Zweck ihrer Wiedereinfuhr aus Deutschland ausgeführt wurden, um die nationale Preisbindung zu umgehen."

Andere sind schon am Start

Dies wies eine Libro-Sprecherin am Dienstag in Berlin jedoch zurück: "Der Börsenverein interpretiert die EU-Richtlinien bewusst falsch", sagte sie dem Tagesspiegel. "Wir betreiben keinen Reimport, sondern einen grenzüberschreitenden Direktverkauf." Man habe sich in Brüssel gut abgesichert. Sollte sie Recht behalten, wäre dies sicher nur der Anfang des Bücherdumpings im Internet. Branchenkennern zufolge stehen andere große Online-Direktverkäufer bereits "in den Startlöchern". Man will noch keine Firmen nennen, doch sind dem Vernehmen nach weitere Internetseiten mit der österreichischen Endung ".at" längst in Vorbereitung.

Bis zum Berliner "Libro"-Personal ist all dies aber noch nicht durchgedrungen. Für die Frage, wie man Bücher denn auf der Website www.lion.cc bestellen könne, hat die freundliche Verkäuferin nur ein Achselzucken übrig. "Wir haben diesbezüglich keine Schulung bekommen", entschuldigt sie sich. Und ihre Kollegin ergänzt bedauernd: "Wir stehen da wie die Deppen."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false