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Kultur: Budenzauber

Barenboims Kehraus in der Lindenoper

Jedem Ende wohnt ein Anfang inne. Zum Abschied also Schumann, ein Jubiläumskonzert zu dessen 200. Geburtstag. Die Fanfaren der Frühlingssinfonie vertreiben die letzten Winterreste, beinahe ungeduldig, ja unwirsch geht Daniel Barenboim diese an Beethoven sich messende frühe Schumann-Sinfonie an, ein Kehraus in der Lindenoper. Am Ende, beim Finale der Vierten, wird die Staatskapelle einen derart nachdrücklichen Budenzauber entfesseln, dass man meinen könnte, der Muff des maroden Hauses lasse sich auch mit musikalischen Mitteln vertreiben.

Das letzte Konzert vor der Restaurierung des Paulick-Saals: Zum letzten Mal sitzen die Musiker auf der Bühne (und verabschiedeten sich am Sonnabend mit „Eugen Onegin“ auch vom Orchestergraben). Zum letzten Mal schweift der Blick zu den Kronleuchtern und den kandelabergeschmückten Rängen; seit man weiß, dass das Gebäude der Generalüberholung bedarf, bangt man ja immer wider alle Vernunft, ob da nicht doch etwas bricht, bröckelt, herabstürzt. Zum letzten Mal die Beraubung der Beinfreiheit in den engen Zuschauerreihen, zum letzten Mal die Rückenpein in den hübschen, ergonomisch aber ungünstig gerundeten Stühlen mit den roten Bezügen und dem verblichenen Goldrand. Und, wer weiß, vielleicht auch zum letzten Mal die fürs Sinfonische reichlich plane Saalakustik, die dem Klang die Entfaltung verweigert, und jede schwankende Intonation, jeden klappernden Einsatz offenlegt. Aber auch wenn Barenboim die Zügel schleifen lässt und seine Rubati im Ungefähren bleiben, evoziert sein gestisches Dirigat Bilder, die der Opernbühne gut anstehen. Schumann als Musiktheaterversprechen: Ballszenen, wuselndes Volk, glamouröse Auftritte, Pomp, Glamour, Herzensdramolette.

Jedem Ende wohnt ein Anfang inne. Der Höhepunkt des Abends heißt MarieElisabeth Hecker. Die 23-jährige Cellistin aus Schumanns Geburtsort Zwickau spielt den Solopart in Schumanns Cellokonzert a-Moll so voller Seelenglut, dass sich unweigerlich die Erinnerung an Barenboims 1987 verstorbene Ehefrau Jacqueline du Pré einstellt. Mit ihr wurde Hecker schon oft verglichen, wegen der Innigkeit, der so gar nicht jugendlichen, schmerzhaften Unbedingtheit ihres Spiels. Im Debüt mit Barenboim gewinnt die Analogie etwas (Be-)Zwingendes.

Ein Abend voll traurigschöner Wehmut. Für besonders leidenschaftliche Nostalgiker bietet die Staatsoper die 1955erOriginalbestuhlung nun übrigens zum Verkauf. 50 Euro kostet ein Sitz, bei einer Mindestabnahme von zwei Stühlen; wer vier Sitze erwirbt, bekommt einen geschenkt (Bestellungen unter www.staatsoper-berlin.de). Christiane Peitz

Bebelplatz am heutigen Sonntag: Open-Air-Kino „Manon“ (11 Uhr), Schumanns Vierte (16 Uhr). Im Haus: Musikalische Führung „Figaro zieht aus“, 11, 12, 13, 14 Uhr (5 €). 11 bis 14 Uhr, alle 30 Minuten: Führungen durchs Opernhaus (2 €).

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