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© Braun/Drama

Barbier von Sevilla: Lachen, bis der Dottore kommt

Herrenabend: Katharina Thalbach inszeniert Rossinis „Barbier von Sevilla“ an der Deutschen Oper.

Gioacchino Rossinis „Barbier von Sevilla“ ist das heitere Vorspiel zur „Hochzeit des Figaro“. In der komischen Oper des italienischen Komponisten will ein alter Zausel ein junges Mädchen heiraten, wird aber an der Nase herumgeführt – und am Ende bekommt sie einen hübschen, jungen Ehemann. Bei Mozart erhält die Geschichte von Rosina, ihrem Grafen Almaviva und dem Friseur Figaro dann revolutionäre Sprengkraft, weil der pfiffige Bürgerliche dem finanzkräftigen Adligen nicht mehr brav zu Diensten sein will, sondern gegen ihn und seinen Standesdünkel aufbegehrt. Hier ist eine Welt nicht mehr in Ordnung – und sie wird 1789, drei Jahre nach der Uraufführung des „Figaro“, zusammenkrachen. Im „Barbier“ dagegen gelten noch die Spielregeln der traditionellen Commedia dell’Arte. Insofern ist es konsequent, wenn sich Katharina Thalbach die Sache in ihrer Neuinszenierung des Rossini-Hits an der Deutschen Oper leicht macht: Es wird geblödelt und gekalauert, bis den Zuschauern nach drei Stunden die weich geklopften Schenkel glühen.

In Wahrheit aber ist diese von weiblicher Hand verantwortete Premiere ein echter Herrenabend: Da ist zu allererst der Dirigent Enrique Mazzola, der einen wunderbar leichten, eleganten Rossini-Klang kreiert, der mit seinen Sängern zu atmen versteht und der vor allem mit der idealen Mischung aus Präzision und Lockerheit das Timing des Abends souverän steuert, weil er die Funktionsmechanismen der Opera-buffa-Komik durchschaut hat. Wie immer, wenn sie mit einem Maestro zusammenarbeiten, den sie mögen, spielen die Musiker der Deutschen Oper erstklassig.

Der zweite Star des Abends heißt Lawrence Brownlee und gibt den Grafen Almaviva als flummifitten Springinsfeld. Mag sein schlanker Tenor auch eine Nummer zu klein für die Deutsche Oper sein, Brownlees scheinbar mühelos abgefeuerten Koloraturkaskaden treiben den Saal in einen wahren Belcanto-Rausch. Robuster in Statur wie Stimme ist Markus Brücks Figaro, doch auch er macht hier bella Figura, erweist sich einmal mehr als Stütze des hauseigenen Sängerensembles, als Allrounder, dem man einfach jede Baritonrolle anvertrauen kann, der eben noch ein anrührender „Tannhäuser“-Wolfram gewesen ist und jetzt im überdrehten Schnellsprech einer Rossini-Oper brilliert.

Wie unbedarft, wie naiv wirkt gegen diese Männerriege Jana Kurucovas Rosina: Die virtuosen Töne sind alle da, keine Frage, doch die Gewitztheit, von der sie in ihrer großen Arie singt, bleibt Behauptung. Das liegt natürlich auch an Katharina Thalbach, die sie zum ahnungslosen Dummchen degradiert, ein hübscher Zankapfel im maskulinen Machtkampf.

In dem doppelten Spiel, das die Regisseurin hier spielt, ist Rosina die einzige Eindimensionale. Von ihrem Ausstattungsteam Momme Röhrbein (Bühne) und Guido Maria Kretschmar (Kostüme) hat sie sich ein schickes Fantasie-Spanien gestalten lassen, mit historischen Hausfassaden und Touristentreiben, Straßencafés und Strand. Von Szenenapplaus begleitet, schleppt ein Traktor in der Ouvertüre eine gigantische Holzkiste auf die Szene, die sich bald als Klapp-Bühne einer fahrenden Komödiantentruppe entpuppt. Almaviva, der coole Mafioso, will sich mit Hilfe des Szenecoiffeurs Figaro die Schauspielerin Rosina angeln. Im Zuge seines Liebeswerbens wird er jedoch plötzlich vom Heute in die barocke Handlung hineingesogen, die sich rund um Rosina auf den Schaubudenbrettern entfaltet.

Eine beachtliche Zahl Statisten begleitet das Geschehen ebenso mitspielfreudig wie hingebungsvoll, Oldtimer, Fahrräder, trippelnde Nonnen sowie ein echter Esel passieren mehrfach die Szene, so mancher pyrotechnische Aufwand wird getrieben, und wenn im Finale des ersten Akts eine kleines dickes Persönchen mit riesigem Holzhammer über die Bühne schwebt, blitzt sogar ein Funke Selbstironie auf. Schade nur, dass Katharina Thalbach am Ende nicht wieder aus ihrem Theater-auf-dem-Theater-Trick heraus kommt, dass ihr partout nicht einfallen will, wie sie ihre Figuren aus der Klamotte in die Wirklichkeit zurückholen kann. Also rettet sie sich einfach damit, dass jetzt eben alle ein Kostümfest feiern: Kindergeburtstag in der Bismarckstraße mit Luftballons, Konfetti, Lampions und Feuerwerk. Aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert.

Wieder am 2., 6., 10., 16., 25. und 31. Dezember.

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