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Lange Nacht: Bühnen frei – die ganze Nacht

Mit dem Shuttle-Bus auf sieben Routen durch die Opern und Theater der Stadt - die Lange Nacht war ein voller Erfolg. Ob Mozarts "Zauberflöte" in der Staatsoper, ein Wilhelm-Busch-Abend im Theater im Palais, oder doch lieber brasilianischer Tanz im Hebbel am Ufer, die Berliner Theaterszene zeigte sich quicklebendig.

Also hinein in die Staatsoper Unter den Linden, zusammen mit all den anderen Wagemutigen, die sich eben noch auf dem Bebelplatz nebenan bei der Begrüßungsansprache des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit haben versichern lassen, dass sie am richtigen Ort zur richtigen Zeit sind. Berlin ist gerade Kulturhauptstadt geworden, zumindest für eine Nacht, für die Dauer der erstmals stattfindenden Langen Nacht der Opern und Theater. Und vor diesem Ereignis treten all die anderen Debatten augenblicklich in den Hintergrund. Pro Reli, pro Ehtik? Pro Theater! Das ist die Konsensentscheidung der Stunde, hier stimmt das Volk mit den Füßen ab, indem es die angebotenen Kurzprogramme im Halbstundentakt nacheinander anschaut, oder als Karawane der Erlebnishungrigen weiterzieht zum nächsten Ausschnitts-Event, zur nächsten der 51 teilnehmenden Bühnen.

In der Staatsoper konnte man sich jedenfalls schon mal einstimmen auf den basisdemokratischen, antihierarchischen Grundgedanken dieser Veranstaltung, die Aufhebung von Oben und Unten, Groß und Klein. Im Magazin des Hauses wurde zum 19-Uhr-Beginn der Langen Nacht das Podcast-Projekt des Education-Programms vorgestellt – von Schülern gedrehte Filme über das Staatsballett – im Anschluss konnte man im Opernsaal bei freier Wahl zwischen Parkett und Rang die Hochkunst in Klanggestalt von Mozarts „Zauberflöte“ erleben.

Die meisten der insgesamt sieben Shuttle-Routen, die alle zehn, fünfzehn Minuten die ganze Stadt durchkreuzten, begannen hier, Unter den Linden. Schön, und was nun? Das war die Kardinalfrage zu Beginn des Abends, der ja noch lang werden sollte. Erstmal nachbarschaftlich denken, und zusammen mit der Traube aus einheimischen Theater-Neuentdeckern und multinationalen Kulturtouristen hinüberwandern zum Maxim Gorki Theater, wo „Der Zauberberg“ lief, Stefan Bachmanns angenehm unterkühlte Thomas-Mann-Adaption. Die funktioniert auch szenenweise, und sie bietet einen schönen Kontrast zum Wilhelm- Busch-Abend gleich nebenan, im Theater im Palais. Die Kunst soll dem Leben zumindest ähneln, das wird ja immer gefordert – das löste die Lange Nacht schon dadurch ein, dass sie die große Gleichzeitigkeit feiert, das pulsierende Miteinander von Mainstream- und Off-Theater, Tanz und Kabarett, Puppenspiel und Performance.

Hier nun schieden sich die Geister der Kulturschwärmer. Es lockten am Routenabzweig ja auch so unterschiedliche Bühnen wie das Theater im Nikolaiviertel mit seiner Zille-Revue oder der moderne brasilianische Tanz im Hebbel am Ufer. Daumenkino im Eigenreich? Oder lieber charmantes Volkstheater im frisch gegründeten Heimathafen Neukölln? Vielleicht ein Abstecher ins jüdische Theater, im gleichen Kiez, oder lieber in den Friedrichshain, wo im Theater der kleinen Form ein Zauberabend nach Daniil Charms geboten wurde? Es kann auch Spaß machen, sich im Berliner Overkill-Betrieb ein buntes Abendprogramm zusammenzustellen. Das haben die Berliner selbst fast schon vergessen.

Viele Theatermacher der Stadt haben im Vorfeld erklärt, die Lange Nacht der Opern und Theater sei auch eine willkommene Gelegenheit, sich untereinander besser kennenzulernen. Und diese Stimmung der offenen Tür, der Neugierde der etablierten Hochsubventionierten und der kreativen Niedriglöhner aufeinander, sie überträgt sich auf den Besucher, egal, wohin man kommt. Die Theaterszene erfand sich nicht neu in dieser Nacht, aber sie inszenierte einen schlagkräftigen Beweis ihrer Lebendigkeit und Vielfalt. Patrick Wildermann

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