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Schaubühne: Wildes Herz

Das junge Polen: Die Dramatikerin Dorota Maslowska ist 25 und in ihrer Heimat ein Star. Die Schaubühne zeigt ihr neues Theaterstück.

„Poch, poch! Wer da? Ich bin es, der Zweite Weltkrieg, ich habe ein paar Flammen mitgebracht!“ Na so was, hoher Besuch. Darauf muss man gefasst sein in den Texten von Dorota Maslowska. „Wir kommen gut klar mit uns“, so heißt ihr jüngstes Theaterstück, ein surrealer Parforceritt durch die Trümmerträume des heutigen Polen, und da weiß man nie, was hinter der nächsten Satzbiegung lauert.

Die Frau besitzt ein Albtraumtalent und einen teerschwarzen Sinn für Humor. Mit 18 schrieb sie ihren Debütroman „Schneeweiß und Russenrot“, eine Speed-Extravaganza und ein Sensationserfolg. Für ihr zweites Buch, „Die Reiherkönigin“, einen wortspeiwütigen Rap, erhielt sie die bedeutendste literarische Auszeichnung Polens. Sie war noch keine zwanzig, da galt sie schon als Stimme ihrer Generation. Ihr erstes Theaterstück „Zwei arme polnisch sprechende Rumänen“, das auch am Gorki läuft, wurde quer durch Europa gespielt: Ein berauschtes, als Rumänen verkleidetes Polenpärchen stürzt sich da in einen Roadmovietrip à la David Lynch. Klar ist bei all dem immer nur eins – die Welt der Maslowska hat ein wildes Herz.

In Polen wird über alles, was sie sagt oder schreibt, mit heiligem Ernst debattiert. Als dort das zweite Drama der jetzt 25-Jährigen erschien, da hieß es, sie sei zum konservativen Lager übergelaufen. „Zuvor wurde ich mit Obszönität und Drogen assoziiert“, sagt Maslowska, „jetzt ging es plötzlich um Gott und nationale Identität.“ Klar, sie sei heute reifer als zu den Zeiten, als sie über Amphetamin schrieb – aber neokonservativ? Es wurde auch gestritten, ob sie mit dem Stück die Hörer von Radio Maryja in Schutz nehmen wolle, diesem erzkatholischen, antisemitischen Sender, der Jaroslaw Kaczynski zur Wahl verhalf. Dabei hatte Maslowska nur gesagt, wenn man in Polen für Toleranz gegenüber Schwulen und Schwarzen kämpfen wolle, dann müsse die Toleranz bei den eigenen Nachbarn beginnen, und die zählten vielleicht zu den drei Millionen überwiegend armen und alten Hörern des Senders.

Klingt nicht nach Provokateurin. Differenziert und klug wirkt sie, beim morgendlichen Gespräch im Café Savigny, sie beklagt den Mangel an charismatischen Politikern in Polen und zugleich das selbstzufriedene Kaczynski- Bashing, das oft nur ein Surrogat für eigene Intelligenz sei. Sie sagt, es müsse doch auch ein Patriotismus möglich sein, der jung und frisch ist.

Von einem „Polen der zwei Geschwindigkeiten“ wird im Jargon der EU-Fitnesstrainer ja gern gesprochen, „traurig, aber wahr“, sagt Dorota Maslowska. Es gibt die Vollgas-Elite der Turbokapitalisten, und es gibt den großen Rest der Abgehängten, zwei Gruppen, die sich gegenseitig hassen. Zwischen ihnen kurvt Maslowska mit ihrer grandiosen Geisterfahrer-Poesie.

Die Zurückgelassenen, sagt sie, wollten ihren eigenen Hochgeschwindigkeitsrausch erleben, nur eben in der KauflandVariante. „In Polen gibt es Menschen, die mit dem Bus zu einem Supermarkt fahren, um eine Tafel Schokolade aus dem Sonderangebotsprospekt zu kaufen. Und sie haben das Gefühl, dabei Geld zu verdienen.“ Maslowska wohnte, da war sie längst Bestsellerautorin, in einem Viertel namens Praga, das auch die Bronx von Warschau genannt wird. Dort gab es einen Carrefour, „diesen auf seine Art luxuriösen Shop, durch den sich aber nur Menschen in schmutzigen Klamotten schoben, die Alten und Gehbehinderten, es war unglaublich.“ Die Billig-Utopien irrlichtern auch durch die Farce „Wir kommen gut klar mit uns“, die ihren Titel dem Song einer polnischen Punkband verdankt und eine Beckett’sche Ballade der Kapitalismus-Loser ist, die permanent planen, was sie sich als Nächstes nicht leisten werden.

Maslowska sagt, dass sie diese Koexistenz der Generationen in Polen irritiert habe. Die Alten, die den Krieg noch erlebt haben, so wie ihre Großmutter, die unter den Nazis Zwangsarbeiterin war, aber trotzdem die deutsche Sprache und die deutsche Musik liebte. Dann die Elterngeneration, die in einem zerstörten Land aufwuchs und den Wandel der Systeme miterlebte. Und schließlich die Jungen mit ihren eigenen Identitätsmalaisen. „90 Prozent dessen, was wir sind, wird von unserer Nationalität bestimmt“, glaubt sie. Sie versteht manchmal nicht, woher die Bereitschaft der jungen Polen rührt, sich selbst als dumm und hässlich zu verhöhnen. Ebenso wenig verträgt sie das selbstmitleidige Mantra der Nationalhymne: Was uns fremde Übermacht nahm, werden wir uns mit dem Säbel zurückholen!

Maslowska selbst wohnt mittlerweile mit ihrer kleinen Tochter in Charlottenburg, sie sagt, sie brauchte Abstand, wolle wieder ein Niemand sein. Fragt man sie nach dem Verhältnis zwischen Polen und Deutschen, das ja bekanntlich ein schwieriges ist, überlegt sie eine Weile. Die jungen Polen, sagt sie dann, interessierten sich eigentlich nicht für den Krieg, aber wenn sie getrunken hätten, dann ginge es los, „böse Deutsche, mein Großvater war im KZ“. Was tun? Man kann der Jugend nicht das Trinken verbieten, und der deutschen Schande nicht Vergessenheit wünschen. Politik der kleinen Schritte vielleicht. Immerhin, Dorota Maslowska dreht sich beim Verlassen des Cafés noch einmal um, und ruft vergnügt: „Deutsch-polnische Freundschaft!“

„Wir kommen gut klar mit uns“ wird im Rahmen des Festivals „digging deep and getting dirty“ von 26. – 29. März täglich an der Berliner Schaubühne aufgeführt.

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