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Bühne: Schaufenster für Prinzen

„Nichts als Kunst und Mechanismus“, meckert der Prinzenkumpel Valerio über das Brautpaar. Kann man so sagen. Leonce, der Prinz von Popo, und Lena, die Prinzessin von Pipi, stehen beim finalen Zeremoniell in aufgeblähten Ganzkörperschläuchen an der Rampe - im Maxim Gorki Theater.

Rein attraktivitätstheoretisch betrachtet, ist das ein gewaltiger Rückschritt. Anderthalb Stunden früher, als Leonce noch mehr oder weniger Single war und gelangweilt in die Luft spuckte, um seine Spucke anschließend mit dem Mund wieder aufzufangen, sah er wenigstens wie eine Schaufensterpuppe aus. Und Lena posierte wie ein Fashionkatalog-Girlie in ihrem farbenfrohen Rüschenkleid. Inhaltlich allerdings hat sich kaum etwas getan: „Nichts als Kunst und Mechanismus“, das steht von Anfang an riesengroß über Jan Bosses Büchner-Inszenierung.

Die Koproduktion des Maxim Gorki Theaters mit dem Schauspiel Köln beginnt in einer plakativen Kitsch- und Konsumwelt. Stéphane Laimé hat Unmengen Schaufensterpuppen auf die Bühne gestellt, von denen das höfische Stückpersonal sich so wenig wie möglich abheben soll. Das gelingt dem programmatisch blassen Leonce (Mark Waschke) und der ausgestellt püppihaften Lena (Maja Schöne) tadellos. Als Prinz und Prinzessin, die, ohne einander zu kennen, verheiratet werden sollen und deshalb unabhängig voneinander nach Italien flüchten, wo sie sich dann ahnungslos ineinander verlieben, weicht das Kaufhausschaufenster einem Kunstpark mit putzig zurechtgestutzten Bäumen. Es dauert nicht lange, bis auch diese Deko niedergerissen und dahinter die nackte Bühnenmaschinerie sichtbar wird. Fragt sich nur, was Bosse damit eigentlich entlarven wollte. Wahrscheinlich tritt der Abend deshalb so merkwürdig auf der Stelle, weil die Fallhöhe vom Schaufenster zur bloßen Mechanik eben überschaubar ist.

Valerio, den Ronald Kukulies zum prolligen Sympathieträger hochtrompetet, passt sich gut ein. Dass sich plötzlich der Kampfspruch: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ aus Büchners „Hessischem Landboten“ in seine Rede mischt, scheint zwar Story wie Zuschauer ein wenig überzustrapazieren. Am zentralen Punkt von Valerios Theorie („Wer arbeitet, ist ein subtiler Selbstmörder“) freut sich das Publikum doch sehr, weil Kukulies dabei vor dem Premierengast Wolfgang Thierse stehen bleibt. Der freut sich auch.

Überhaupt: Wir sind das Volk. Bei Bosse werden die Zuschauer von Anfang an stellvertretend für die späten Hochzeitszaungäste aus der Unterschicht vom Präsidenten des Staatsrates (Jan-Peter Kampwirth) mit einfältigen Benimmregeln genervt: „Kratzt euch nicht hinter den Ohren!“ Auch das Spiel mit dem Publikum ist Jan Bosse in anderen Inszenierungen wesentlich klüger und subtiler gelungen. Christine Wahl

Wieder am 10. und 27. Mai.

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