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Kultur: Bürgerschreck und Biedermann

Die Goldenen Zwanziger, die Berlin sich heute wieder als seine Zukunft erträumt, sie waren weit mehr als straßglitzernde Roben und Bubikopf, ein Sündenbabel, das die nicht immer klare Abgrenzung zur Nazi-Barbarei um so attraktiver schillern läßt.Gegen die Klischees der Unterhaltungskultur will die heute beginnende dreitägige Tagung "Musikkultur der Weimarer Republik" der Hochschule der Künste ein differenzierteres Bild setzen.

Die Goldenen Zwanziger, die Berlin sich heute wieder als seine Zukunft erträumt, sie waren weit mehr als straßglitzernde Roben und Bubikopf, ein Sündenbabel, das die nicht immer klare Abgrenzung zur Nazi-Barbarei um so attraktiver schillern läßt.Gegen die Klischees der Unterhaltungskultur will die heute beginnende dreitägige Tagung "Musikkultur der Weimarer Republik" der Hochschule der Künste ein differenzierteres Bild setzen.Was im vorigen Jahr in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Paul-Hindemith-Institut in Konzentration auf die Figur Hindemiths begann, soll nun auf breiterer Basis fortgeführt werden.Daß dies nur interdisziplinär geschehen kann, signalisiert der Einführungsvortrag von Helmuth Lethen: "Waschrituale - eine Bewegungsform der Künste in der Weimarer Republik".Der bekannte Germanist, der unter dem Titel "Verhaltenslehren der Kälte" die "Neue Sachlichkeit" umriß, wird auch dieses Thema vermutlich nicht rein literarisch angehen.

Die Berliner Hochschule war damals - als "Abteilung" der Akademie der Künste - Schauplatz tiefgreifender Veränderungen.Franz Schreker und Arnold Schönberg als "Meistervorsteher" der Kompositionsklasse verkörperten noch einen emphatischen Begriff der "Tonkunst", auf dem genialen Einfall basierend.Hindemith verfocht eine distanziertere, mehr das "Handwerk" hervorhebende Auffassung - der Übergang zur "Gebrauchsmusik", wie sie vor allem in der Arbeitermusikbewegung mit ihrem Protagonisten Hanns Eisler wirksam werden sollte, ist nicht weit.Die keineswegs immer eindeutige Physiognomie einer "Musikkultur zwischen rechts und links" werden am Freitag auch Susanne Fontaine mit einem Vortrag über den Musikpolitiker Leo Kestenberg oder Susanne Schaal ("Neue Musik und Nationalsozialismus") zeichnen.

Rundfunkversuchsstelle - Donnerstag abend in einem Gespräch mit dem unverwüstlichen Oskar Sala -, Tanz am Bauhaus mit Schlemmer und Klee, Jugend- und Orgelbewegung, bürgerschreckende Atonalität und neoklassizistische Biederkeit sind nur einige Stichworte bis heute fortwirkender oder auch wiederzuentdeckender Brüche und Widersprüche.Den klingenden Beweis sollen ein Konzert am Freitag und Kurzopern von Toch, Hindemith und Milhaud am Sonnabend antreten.

Das Symposium wird heute um 15 Uhr im Konzertsaal an der Bundesallee eröffnet.Informationen unter 31 85 24 81

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