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Kultur: Bukowiner Elegien

Helmut Braun erinnert an die untergegangene Kulturmetropole Czernowitz

Die westukrainische Stadt Tscherniwzy ist in ganz Osteuropa wegen ihres Kaliniv-Basars bekannt. In Westeuropa hingegen ist eher ein gewisses Czernowitz bekannt, eine Ortschaft, in der, so will es die Erinnerung, einst Weltliteratur geschrieben wurde. Tscherniwzy ist der heutige Name von Czernowitz, diesem mit den Namen von Paul Celan, Rose Ausländer, Selma Meerbaum-Eisinger verbundenen Mythos. Eine „untergegangene Kulturmetropole" nennt der reich bebilderte Band „Czernowitz“ die Provinzstadt. Für heutige Beobachter ist es ein abenteuerliches Völkergemisch, das da am Rand des k.u.k. Reiches zusammenlebte: Deutsche, Juden, Ukrainer, Rumänen, Polen, Ungarn und Armenier. Keine Minderheit war groß genug, die anderen zu dominieren. In Czernowitz erschienen deutsche, ukrainische, polnische, jiddische und hebräische Zeitungen in lateinischer, kyrillischer und hebräischer Schrift. Gott wurde auf griechischorthodoxe, griechisch-katholische, römisch-katholische, armenisch-katholische, evangelische, jüdisch-orthodoxe und jüdisch-ultraorthodoxe Weise verehrt. Mariana Hausleitner schildert in ihrer politischen Geschichte des Buchenlands, wie die Bukowina auf Deutsch heißt, die am Ende des 19. Jahrhunderts zunehmenden Konflikte. 1918 besetzte Rumänien das österreichische Kronland Bukowina und verfolgte eine strikte Rumänisierungspolitik.

Zum Thema Tagesspiegel Online: Leipziger Buchmesse  Service Online bestellen: "Czernowitz" Doch gerade jene Jahre, in denen die Minderheiten von Czernowitz – nun Cernauti – unter Druck gerieten, sind die kulturell fruchtbarsten. Eine „schöpferische Explosion“ ereignete sich in der deutsch-jüdischen Literatur, die der Literaturwissenschaftler Peter Rychlo mit zunehmender Isolation erklärt. Herausgeber Helmut Braun stellt Autoren vor, die damals auf Deutsch schrieben und heute oft beim Rimbaud Verlag greifbar sind. Albert Londres, Alfred Kittner und Gregor von Rezzori kommen zu Wort. Und aus der jüngsten Vergangenheit der 260 000 Einwohner, die das goldene Zeitalter ihrer Stadt wiederentdecken, berichtet Bohdan Zahajskij.

Helmut Braun (Hg.): Czernowitz. Die Geschichte einer untergegangenen Kulturmetropole. Christoph Links Verlag, Berlin. 182 S., 29,90 €.

Jörg Plath

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