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Kultur: Bush in Europa: Bei allem Verständnis

Auf die Worte kommt es bekanntlich an. Vor allem in der Diplomatie.

Auf die Worte kommt es bekanntlich an. Vor allem in der Diplomatie. Die USA sind aus deutscher Sicht innerhalb der vergangenen Jahre von "unserem wichtigsten Partner" zu "unserem wichtigsten außereuropäischen Partner" herabgestuft worden. Und George W. Bush kümmert sich nicht mehr um die "westliche Wertegemeinschaft", sondern vorrangig um die "westliche Hemisphäre". Die beginnt in Feuerland und zieht sich bis nach Alaska. Die Amerikas sind gemeint, nicht Nordamerika und Europa. "Gute Außenpolitik fängt in der eigenen Nachbarschaft an", hat Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice gerade verkündet. Das sehen die Europäer ebenso. Und ihre Nachbarschaft heißt: Europa.

Vor einer Woche tagte der Aufsichtsrat des American Institute for Contemporary German Studies (Amerikanisches Institut für deutsche Gegenwartsstudien, AICGS) erstmals in Berlin. Wolfgang Ischinger, der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, fragte: "Driften wir auseinander?" Und er beantwortete die Frage mit einem klaren Nein. Einer seiner Gäste erwiderte, die transatlantische Freundschaft sei in der Tat unverbrüchlich, nur erwarte Amerika auch einiges von Deutschland: "Dass Ihr nicht nur eine europäische Macht seid, sondern eine globale!"

Da war er wieder, der hohe Anspruch. Weltmacht Bundesrepublik? Washington fordert dies, schließlich will die Berliner Republik doch unverkrampft sein. Nordkoreas aufweichender Stalinismus, Iraks unermüdliche Waffenprogramme, Bin Ladens allgegenwärtiger Terror, Kubas dahindümpelnder Sozialismus - all dies würden die USA gern gemeinsam mit den Deutschen bekämpfen. Bundesrepublikanische Außenpolitiker sind da sehr vorsichtig. Eine außenpolitisch handlungsfähige Europäische Union gibt es bestenfalls in Ansätzen. Wo soll da Weltpolitik herkommen?

Ischinger wird künftig viel mit dem AICGS zu tun haben, man wird schließlich zu Nachbarn. Im Juli übernimmt Ischinger das Amt des deutschen Botschafters in Washington. Dort sitzt auch das Forschungsinstitut AICGS, das der Johns Hopkins Universität angeschlossen ist.

Zur Einstimmung auf sein neues Amt hat Ischinger gerade eine Grundsatzrede über die transatlantischen Beziehungen gehalten. Darin hat er das Verhältnis zu den USA als "den zweiten tragenden Pfeiler deutscher Außenpolitik" neben der europäischen Einigung bezeichnet. Sechs Problembereiche listete Ischinger auf: Europas Verteidigungspolitik, den Balkan ("einer Lastenteilung dergestalt, dass die USA die Kriege führen und die Nato-Europäer sozusagen hinterher aufräumen, könnte ich nicht viel abgewinnen"), die in Washington nicht mehr als nur national gedachte Raketenabwehr MD, die nächste Nato-Osterweiterung, das Verhältnis zu Russland und China sowie zuletzt den Themenkomplex Handel und Umwelt. Beispiel Handel: Über die transatlantische Freihandelszone redet kaum mehr jemand; für Bush hat die inneramerikanische Priorität. Dies ist ein Diktat der Zahlen. Die Zölle zwischen Mercosur und Nafta sind höher als jene zwischen Nafta und EU. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Wegfall der Hemmnisse größere Profitsteigerungen erlaubt.

"Der Atlantik wird nicht breiter", hat Ischinger geschlussfolgert. Aber er hat auch leise gewarnt. "Eine stärkere Ausrichtung der amerikanischen Sicherheitspolitik auf den pazifischen Raum kann nicht ohne Auswirkungen auf unsere Interessen und auf das europäische Engagement der USA bleiben." Die Antwort erhielt Ischinger wenige Tage später von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. "Vollkommen unlogisch" sei es, davon auszugehen, dass Washington sich von Europa abwenden könnte, nur weil es "richtig ist, dass Asien an Bedeutung gewinnen wird". Wirklich?

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