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Kultur: Bush in Europa: Gestörter Empfang

Warum kommt George W. Bush nicht nach Berlin?

Warum kommt George W. Bush nicht nach Berlin? Ist das wieder eine dieser Brüskierungen, mit denen der US-Präsident seit seinem Amtsantritt es den Deutschen so schwer macht, ihn zu mögen? Die Fragen zu stellen, führt mitten in das derzeit ziemlich gestörte transatlantische Beziehungsgeflecht. Denn aus amerikanischer Sicht ist der Vorwurf der Ignoranz, der darin mitschwingt, selber ein Zeichen von Ignoranz. In den USA sieht man das so: Seine erste große Auslandsreise führt Bush demonstrativ nach Europa. Er war zwar einen Tag in Mexiko und einen Tag in Kanada, aber allein vom Aufwand her ist das Signal, das er jetzt aussendet, ganz eindeutig: Jenseits aller Differenzen bleibt Europa unser wichtigster Partner in der Welt.

Verrückte Welt

Und was ist der Dank? Undank. Es stimmt: Bush fährt weder nach Berlin, noch nach London, Paris oder Rom. Er begann seine Reise in Spanien, weil die Hispanics in Amerika die größte und am schnellsten wachsende Minderheit sind und Bush von ihnen wiedergewählt werden möchte. Außerdem ist Spanien fast das einzige EU-Land, das eine konservative Regierung hat. Heute besucht er die Nato in Brüssel und morgen wird er in Schweden zu einem Gipfel der Europäischen Union erwartet. Muss man ihn für dieses Programm kritisieren? Aus amerikanischer Sicht ist das abwegig. Offenbar nimmt Bush Europa ernster, als es sich selbst nimmt. Deutsche Außenpolitiker etwa zitieren seit langem bloß noch die europäische Beschlusslage, wenn sie um ihre Meinung gebeten werden. Aber wenn der amerikanische Präsident dann die höchste Versammlung der Europäer besucht, wird er dafür gescholten, dass er die Nationalstaaten, die ja ausdrücklich keine mehr sein wollen, vernachlässigt. Verrückte Welt.

Solche Missverständnisse sind ein Symptom dafür, wie schwierig die transatlantischen Beziehungen geworden sind. Demographisch und kulturell driften die USA und Europa tatsächlich auseinander. In vielen Gegenden der Vereinigten Staaten bilden heute die europäischstämmigen Weißen eine Minderheit. Der Mehrheit aus Hispanics, Schwarzen und Asiaten beizubringen, warum ausgerechnet Europa für sie wichtig sein soll, wird immer schwieriger, zumal auch viele Weiße ihre Stereotypen pflegen: Europa, mit seinen mehrheitlich linken Regierungen, wird als Inbegriff eines zu üppig geratenen Wohlfahrtsstaates wahrgenommen, der seine Elite steuerlich schröpft, damit die Faulenzer sich ein gutes Leben machen können. Die Europäer, so heißt es, sind nicht vom Freiheits-, sondern vom Gleichheitsgedanken beseelt. Und politisch scheinen sie nicht sonderlich handlungsfähig zu sein - siehe Balkan, siehe das Votum der Iren über den Vertrag von Nizza.

Umgekehrt verstehen immer weniger Europäer, warum sie ein Land schätzen sollen, in dem die Todesstrafe praktiziert wird, Schusswaffen erlaubt sind und genetisch veränderte Lebensmittel in den Regalen stehen. Bush verkörpert all diese Untugenden. Außerdem lässt er in den Augen der Europäer Umweltverschmutzung und Klimakatastrophe zu, steht kurz davor, den ABM-Vertrag zu brechen und riskiert ungeniert einen neuen Rüstungswettlauf.

Entfremdung verboten

In diesem Klima haben sich Skepsis, Misstrauen und Verachtung ausgebreitet. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: Die antiamerikanischen Gefühle in Europa sind virulent, in Amerika dagegen drückt sich das Unbehagen eher in Desinteresse aus. Kein Amerikaner käme auf die Idee, gegen Europa zu demonstrieren.

Die gemeinsamen politischen Interessen freilich sind weiterhin so groß, dass sie eine Entfremdung nicht erlauben. Zumindest auf Regierungsebene sind sich die Verantwortlichen dessen auch bewusst. Ob Russland oder der Nahe Osten: Vom europäischen Einfluss profitiert Amerika. Ob Balkan oder Golfkrieg: Ohne Amerika läuft nichts. Die neue US-Regierung hat jetzt zwar Kanada und Südamerika als wichtige Nachbarregionen und den fernen Osten, insbesondere China, als mögliches künftiges Sicherheitsrisiko entdeckt. Eine Abkehr von Europa aber betreibt sie nicht. Kulturell wird der Graben tiefer, politisch und ökonomisch gibt es zur transatlantischen Allianz keine Alternative.

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