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Kultur: Cäsars Blick

Jörg Immendorff hat Gerhard Schröder gemalt

Es ist ein Cäsarenbild. Monumental, 100 mal 130 Zentimeter hoch, in edlem Bronzeton. Erhaben, souverän blickt der Herrscher aus dem Bild, ein markiger Charakterkopf im Stil römischer Porträtbüsten. An alte Kupferstiche fühlt man sich erinnert (was auch daran liegt, dass der schwer kranke Jörg Immendorff seine Bilder nicht mehr malt, sondern am Computer entwirft und kompiliert). Und auch ein bisschen an Stalin, in dieser steinernen, stählernen Staatsbildnis-Würdigkeit. Dass kleine rote Affen am Rand spielen, Putten, Jagdhunde, Fabelwesen, wer sieht das schon. Hier inszeniert sich einer als Herrscher. Oder wird inszeniert.

Dass Gerhard Schröder den Düsseldorfer Künstler Immendorff im Herbst 2006 gebeten hatte, sein Porträt für die Galerie im Bundeskanzleramt zu malen, war so überraschend nicht. War sogar klug. Eine späte Würdigung für einen der ganz Großen der deutschen Nachkriegskunst. Auch weil dieser sich, schwer krank, zuvor mit Kokain- und Prostituiertengeschichten unrühmlich in die Schlagzeilen gebracht hatte. Und damit riskiert hatte, den wohlverdienten Platz in der Kunstgeschichte wegen einer Schmuddelaffäre zu verlieren. Da ist es gut, wenn man Freunde wie Gerhard Schröder hat.

Mit überragendem Kunstgeschmack hatten sich die bisherigen Bundeskanzler selten hervorgetan, was die Wahl ihres Leibporträtisten angeht. Helmut Schmidt und der DDR-Großkünstler Bernhard Heisig, das war ein einsamer Höhepunkt, eine Geistesverwandtschaft über die Mauer hinweg. Ansonsten: viel Mittelmaß, viel Peinliches auch. Ein sehr distanzierter Konrad Adenauer von Oskar Kokoschka, ein weichgezeichneter Willy Brandt, nachdem Georg Meistermann an seinem Porträt gescheitert war, ein buntfleckiger Helmut Kohl von Albrecht Gehse. Nicht leicht, die Balance zwischen Charakter und Amt zu finden. Bei Jörg Immendorff ist das Pendel ganz in Richtung Staat ausgeschlagen. Und hat, gerade in Zeiten, in denen in Berlin unwürdig über Wolf Biermanns Ehrenbürgerwürde diskutiert wird, der Politik die Deutungsmacht der Kunst vorgeführt.

Vor einer Woche konnte Schröder nun in Immendorffs Atelier in Düsseldorf das Resultat besichtigen. Aus seiner Leidenschaft für Bildende Kunst hat der Ex-Bundeskanzler nie einen Hehl gemacht. Hat sich mit Künstlern umgeben, hat sie auf seine Auslandsreisen mitgenommen. Immendorff zum Beispiel war im Jahr 2000 mit in Tiflis) und hat auch bei der großen Immendorff-Ausstellung der Neuen Nationalgalerie im Herbst 2005 die Eröffnungsrede gehalten. Der Künstler, der mit „Café Deutschland“ und anderen Bildern immer auch ein Chronist der deutschen Nachkriegsgeschichte war, und der Kanzler, der von sich behauptete, diese Nachkriegsgeschichte mit dem Schritt ins 21. Jahrhundert endgültig überwunden zu haben: ein genuines Paar. Und der letzte Coup eines begnadeten Selbstdarstellers.

Christina Tilmann

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