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Feldforscher. Der Kreuzberger Produzent und Musiker Patric Catani, 38.

© Promo

Candie Hank: Transsilvanisches Voodoo

Patric Catani alias Candie Hank ist ein hyperaktiver Sound-Bastler. Heute stellt er sein Album „Demons“ live vor. Ein Treffen.

Mit Süßigkeiten – englisch: candy – ist das ja so eine Sache: Süßigkeiten sind auf der einen Seite natürlich sehr schön ... süß. Auf der anderen Seite machen sie die Zähne, die Figur, die Gesundheit kaputt. Superstar Madonna versucht diesen Widerspruch mit Hilfe ihrer auch in Berlin mehrfach vertretenen Fitnessstudiokette Hard Candy zu vertuschen. Der sehr viel weniger bekannte Musikproduzent Patric Catani geht ähnlich vor, er lässt seine süße Seite als „Candie Hank“ heraushängen. Wann also wird die Musik von Candie Hank bei Hard Candy laufen? Vermutlich nie. Denn mit Pop der Sorte Madonna hat Patric Catani nichts am Hut. Süß sind seine Candie-Hank-Sounds nur im Vergleich zu den harten, krachigen Klangwelten, die er am Anfang seiner musikalischen Karriere erschuf.

Willkommen in der Welt eines ruhelosen Produzenten, der gar nicht anders kann, als zu verwirren. Die Liste seiner Platten und Songs ist lang, die Zahl seiner Pseudonyme groß, die Projekte, an denen er schon mitgearbeitet hat, unübersichtlich. Und dann erst die Musik, zum Beispiel auf seinem neuen Candie-Hank- Album „Demons“ (Shitkatapult): Hip-Hop- Beats treffen auf Surf-Gitarren, Easy-Listening-Melodien, japanischer, englischer, osteuropäischer Gesang, Gesprächsfetzen und Effekte wie aus überdrehten Zeichentrickfilmen ergeben zusammen eine überdrehte Mischung. Das Schöne aber ist, dass Patric Catani mit dieser seltsamen elektronischen Musik einen echten Sog erzeugt. Seine Tracks grooven, die überraschenden Brüche innerhalb der Songs, die Soundverschiebungen und Rhythmuswechsel erzeugen Spannung.

Aber welche Dämonen sollen da gebannt werden? Patric Catani, der ein Kreuzberger Café nicht weit von seiner Wohnung und seinem Studio als Treffpunkt für ein Gespräch vorgeschlagen hat, tut sich mit einer genauen Erklärung schwer: „Es ist nicht so, dass ich da countrymäßig meine Seele ausschütte. Aber ich mache seit 20 Jahren Musik, in dieser Zeit hat sich einiges angesammelt. Das beinhaltet Mama genauso wie Verlust und Spaß, meine Zahnärztin in Bukarest oder einen Fahrstuhl.“

Das mit dem Fahrstuhl und mit der Zahnärztin in Bukarest ist kein Witz. Seit Jahren pendelt der ursprünglich aus Köln kommende Catani zwischen Berlin und der rumänischen Hauptstadt hin und her, seine Freundin wohnt dort, sogar einen „Mini-Mini-Raum“ habe er als behelfsmäßiges Studio in Bukarest. So ein regelmäßiger Tapetenwechsel geht an einem hyperaktiven Musiker wie Catani natürlich nicht spurlos vorbei: Der 38-Jährige lässt sich von allem und jedem inspirieren, saugt auf, was nicht bei drei wieder komplett verstummt ist. Folglich hat das Album „Demons“ eine deutlich osteuropäische Note, Balalaikas ertönen, Hip-Hop- Polka-Rhythmen schwellen an und ab, die Songs heißen „Babyshka Demona“ oder „Transylvanian Voodoo“. Die Zahnärztin und der Fahrstuhl sind ebenfalls zu hören.

Patric Catani macht visuelle Musik - auch für Videospiele

Feldforscher. Der Kreuzberger Produzent und Musiker Patric Catani, 38.
Feldforscher. Der Kreuzberger Produzent und Musiker Patric Catani, 38.

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Eine solche Offenheit für Einflüsse führt leicht zu Überlastung. Wie vermeidet Catani das? „Ein guter Weg ist die Städtetrennung: Ich arbeite in Berlin und komme in Bukarest auf andere Gedanken. Ich kann den Notstecker ziehen, etwas ganz anderes machen. Allerdings sehe ich viele meiner Sachen nicht als Arbeit.“ Trotzdem: Wer sich an einer so wilden Mischung abarbeitet wie er, läuft Gefahr, sich zu verrennen. Da ist es schon beeindruckend, dass Catani, der die letzten sieben Jahre an Demons gearbeitet hat, über elf Stücke komplett die Kontrolle behält. Der Wahnsinn ist gar kein richtiger Wahnsinn, er stellt sich als gekonnt konstruierter Soundentwurf dar, dessen Ziel vor allem zu sein scheint, nicht zu langweilen. In einer leicht wirkenden, aber kompliziert erarbeiteten Choreografie lässt Catani die inneren Dämonen umherspringen: „Verflossene Lieben gehören dazu. Leute, die krank geworden sind oder gestorben. Oder Groll, der sich angesammelt hat und den man besiegeln will“, erklärt er. Auf dem Album werde nicht wirklich eine Geschichte erzählt, vielmehr sei es „ein Kreis mit einem Hauptstück“.

Dieses Stück steht ganz am Ende und heißt bezeichnenderweise „Peace (With My Demons)“. Catani singt hier ganz entspannt von seinem neuen inneren Frieden, während ein treibender Rhythmus das Gegenteil behauptet. Die Idee dazu kam ihm vor einem Jahr in Australien: „Wir saßen auf einem Cliff und um uns herum gab es mehrere Gewitter. Das machte einen wahnsinnigen Eindruck auf mich. Und hat auch etwas mit Flucht zu tun, auch wenn ich jetzt nicht flüchten will.“ Den Stil dieses Songs nennt er „Kraut-Surf“, ein „nicht so puristischer“ Bereich, in dem er in Zukunft mehr ausprobieren will.

Insgesamt hält sich Catani im Gespräch ziemlich bedeckt, was es mit seinen Dämonen nun auf sich hat. Fast so, als habe er die Platte gar nicht für seine Hörer, sondern für sich gemacht. Mit ziemlicher Sicherheit ist es jedoch Catanis persönlichstes Album. Hier findet sich die Essenz seines Schaffens: die galoppierenden Beats sind fast so etwas wie ein Markenzeichen, zudem stecken die Songs des Cartoon-Fans, der auf russische Zeichentrick- und tschechische Kinderfilme steht, voller Humor. Albern wirken sie dabei nie. Eher wie Soundtracks zu einer gekonnt durchgedrehten Screwball-Comedy.

Patric Catani macht visuelle Musik. Und bevor man ihm sagen kann, dass sie sich hervorragend für Videospiele eignen würde, erzählt er, dass sie sich dort schon längst findet. Außerdem hat er lange Zeit für die schräge Puppen-Hip-Hop-Band Puppetmastaz Beats gebastelt, auch in Filmen und am Theater kann man seinen Sounds begegnen. Es hat sich also rumgesprochen, wie konzentriert und stilvoll der Produzent inzwischen arbeitet, der einst mit Hardcore-Krach-Techno anfing. Mittlerweile besteht seine faszinierende Außenseitermusik nicht mehr in erster Linie aus Sampels, sondern ist selbst komponiert und eingespielt.

Am Ende dämmert dem Reporter, dass er sich vom Albumtitel in die Irre führen ließ und die ganze Zeit von falschen Voraussetzungen ausging: „Sind Sie etwa ein selbstdisziplinierter Mensch?“ – „Ich glaube ja.“

Record Release-Konzert mit Candie Hank, Chris Imler und Guido Möbius, 16.5., 21 Uhr Urban Spree, Revaler Str. 99

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