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Kultur: Carlos Fuentes

Ich meine, dass diese Wirklichkeiten uns bewegen sollten, zu bekräftigen, dass die Sprache das Fundament der Kultur ist, die Tür der Erfahrung, das Dach der Vorstellungskraft, der Keller des Gedächtnisses, das Schlafzimmer der Liebe und, vor allem, das Fenster, das der Luft des Zweifels und des Fragens offen steht. In allen großen Romanen entdecke ich ein menschliches Vorhaben – gleich ob man es Leidenschaft, Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit nennt, das uns zu seiner Verwirklichung einlädt, selbst wenn wir wissen, dass es zum Scheitern verurteilt ist.

Ich meine, dass diese Wirklichkeiten uns bewegen sollten, zu bekräftigen, dass die Sprache das Fundament der Kultur ist, die Tür der Erfahrung, das Dach der Vorstellungskraft, der Keller des Gedächtnisses, das Schlafzimmer der Liebe und, vor allem, das Fenster, das der Luft des Zweifels und des Fragens offen steht. In allen großen Romanen entdecke ich ein menschliches Vorhaben – gleich ob man es Leidenschaft, Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit nennt, das uns zu seiner Verwirklichung einlädt, selbst wenn wir wissen, dass es zum Scheitern verurteilt ist.

„Zwischen Schmerz und Nichts wähle ich den Schmerz“, so der berühmte Ausspruch Faulkners; und er fügte hinzu: „Der Mensch wird sich behaupten.“ Und ist dies nicht vielleicht die Wahrheit des Romans? Die Menschheit wird sich behaupten, weil uns der Roman, trotz der Unglücke der Geschichte, sagt, dass die Kunst das Leben in uns wiederherstellt, das von der Hast der Geschichte missachtet wurde. Die Literatur macht wirklich, was die Geschichte vergaß. Und weil die Geschichte das Gewesene war, wird die Literatur das anbieten, was die Geschichte niemals gewesen war. Daher werden wir niemals Augenzeugen des Endes der Geschichte sein – außer es käme die Weltkatastrophe. Man vergleiche William Faulkners Worte mit den unausgegorenen Vorstellungen vom Ende der Geschichte und dem Zusammenstoß der Kulturen.

Ich spreche als ein Schriftsteller in der spanischen Sprache von einem Kontinent, der iberisch, indianisch und mestizisch ist, der schwarz und mulattisch ist, atlantisch und pazifisch, mediterran und karibisch, christlich, arabisch und jüdisch, griechisch und lateinisch. Wenn ich den vollbrachten Leistungen, aber vor allem den Zielsetzungen, den erreichten Zielen ebenso wie den Möglichkeiten meiner eigenen Kultur, getreu bin, kann ich nicht gelten lassen, dass wir in einem Zusammenstoß der Kulturen leben. Weil all diejenigen, die ich heraufbeschworen habe, die meinigen sind und nicht zusammenstoßen, sondern reden, miteinander sprechen, disputieren, um zu verstehen, und, in meiner Seele gar, die Relativität von triumphaler Haltung und Niedergeschlagenheit zugleich mitteilen, die Notwendigkeit, das zu wagen, was nie untergehen wird, selbst wenn es den Rückzug angetreten hat – meine alten indianischen und islamischen Kulturen. Und sich das zu erwerben, was sich selbst als dauerhaft denkt – die westlichen, christlichen Züge meines Seins, jenseits ihrer gegenwärtigen Befähigung – und den Versammlungsort von ihnen allen zu feiern, den Ort des Sprechens und Denkens und des Gedächtnisses und der Einbildungskraft, den jeder von uns, ob Mann oder Frau, mit sich trägt und der uns bittet, an einem Dialog der Zivilisationen teilzuhaben und das Ende der Geschichte abzustreiten. Denn wie kann Geschichte enden, solange wir nicht unser letztes Wort gesprochen haben?

Aus dem Englischen von Rainer G. Schmidt. Fuentes hielt diese Rede (hier in gekürzter Version) gestern im Haus der Berliner Festspiele. Copyright: C. Fuentes.

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