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Kultur: Carlos hat uns lieb

Mit seiner Nachbarin Steffi Graf spielt er gelegentlich Tennis, und der tote Miles Davis erschien ihm an seinem letzten Geburtstag. Auch mit Engeln redet Carlos Santana gerne mal während seiner Meditationssitzungen.

Mit seiner Nachbarin Steffi Graf spielt er gelegentlich Tennis, und der tote Miles Davis erschien ihm an seinem letzten Geburtstag. Auch mit Engeln redet Carlos Santana gerne mal während seiner Meditationssitzungen. Manche Leute halten ihn deshalb für etwas entrückt. Sein Erfolg aber ist ganz von dieser Welt. 20 Millionen Mal wurde das letzte Album "Supernatural" verkauft. Santana, der Grundgütige, ruft seinen Fans zu: "Ihr seid schön, seid glücklich, macht andere Menschen glücklich!"

Carlos hat uns lieb. Auch an diesem verregneten Abend in der Berliner Waldbühne. Die Temperatur hat - zumindest für ihn - keinen Einfluss auf das Temperament. Von "Jingo" bis "Maria Maria" gibt es alles alles, was die Leute hören wollen aus dreißig Jahren Santana. Live und in Farbe. Die Videoprojektionen rechts und links der Bühne zeigen alle Details, die aus der Entfernung nicht zu erkennen sind: das fingerfertige Bass-Solo, das so schön zwischen Bach und Hendrix schwankt. Und die viele Durcheinanderpercussion. Kurz vor Schluss erinnert Carlos Santana daran, dass in Berlin "vor kurzem noch eine Mauer stand. Das war nicht sehr schön." Auf die Frage, ob es sich freue, dass die Mauer weg ist, äußert das Publikum sich verhalten. Keine sehr erleuchtete Reaktion. Aber vielleicht liegt es auch an der Schwierigkeit, mit einem Regenschirm in der Hand zu applaudieren.

Wirklich schlimm ist auch das nicht. Alle haben Sitzkissen, niemand schmeißt Müll auf den Boden. Vergessen sind die Jahre, wo man übellaunig Schlange stand für ein lauwarmes Schulli. Das Walk-up-Catering hat dieses Problem schon lange erkannt und schickt Männer mit Bierfässern auf dem Rücken durch die Menge. Bratwurstduft weht durch die Arena, es herrscht gepflegte Wohnzimmerlautstärke. Man fühlt sich fast, als würde man in einer Gartenlaube mit 20 000 Menschen Fernsehen gucken. Ein Abiturtreffen der Klasse von 1975. Aber pünktlich um zehn Uhr ist der Spaß vorbei. Wegen der Nachbarn. Außerdem müssen wir ja alle morgen wieder früh raus.

Ralph Geisenhanslüke

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