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Kultur: Carola Stern: Idealistin ohne Pathos

Eine "Minna von Barnhelm"-Vorstellung sei ihr Traum, hat sie seinerzeit dem FAZ-Magazin-Fragebogen verraten - sie selbst als Minna, Will Quadflieg als Major Tellheim. Wer sich so outet, hat zweierlei: eine empfindsame Seele und Selbstironie.

Eine "Minna von Barnhelm"-Vorstellung sei ihr Traum, hat sie seinerzeit dem FAZ-Magazin-Fragebogen verraten - sie selbst als Minna, Will Quadflieg als Major Tellheim. Wer sich so outet, hat zweierlei: eine empfindsame Seele und Selbstironie. Dabei ist Carola Stern vor allem als politische Publizistin bekannt geworden. Wo immer Menschenrechte zur Debatte standen war, wo sie glaubte, dass Wiederspruch einzulegen war, war sie zur Stelle - eine kleine Kämpferin, eine Idealistin ohne Pathos, eine Rebellin aus citoyenhaftem Anstand. Und immer, alle Achtung, präzis auf den Punkt formuliert. Die Kommentatorin, die Streiterin auf den Barrikaden der öffentlichkeit konnte nie verbergen - und wollte es wohl auch nicht -, dass ihr Herz sozialdemokratisch schlug, allerdings garantiert undogmatisch. Bezeichnenderweise war Gustav Heinemann die Gestalt in der Bundesrepublik, bei dem sie sich am meisten zu hause fühlte. Aus der gleichen Motivation speiste sich ihr Eintreten für Unterdrückte. So wurde sie zur Mitbegründerin der deutschen Sektion von Amnesty International. Das alles - und die Menschlichkeit und der Charme, der ihr zu eigen sind - ist das Ergebnis erlebter Läuterung, gelebten Lebens. In ihrem autobiografischen Buch "In den Netzen der Erinnerung" hat sie davon erzählt, wie sie - das Mädchen von der Insel Usedom, begeisterungsbereit und ambitioniert - erst auf das Dritte Reich hineinfiel, dann auf den Kommunismus. Das hat sie erst in die DDR-Forschung gebracht - mit Büchern über die "SED" und der ersten Ulbricht-Bographie -, dann, beim Verlag Kiepenheuer und Witsch, zur politischen Lektorin gemacht, schliesslich, beim WDR, zur politischen Journalistin. Aber unter dieser Laufbahn floss ein Wärmestrom: er hieß Schreiben, Darstellen. Es ist kein Zufall, dass er sich, als er durchbrach, in Gestalten der Romantik realisierte. Seither schreibt sie Bücher: "Ich möchte mir Flügel wünschen", hiess die Biografie Dorothea Schlegels, 1990 erschienen, "Der Text meines Herzens", die der Rahel von Varnhagen 1994. Minnas zweites Leben. An diesem Dienstag wird Carola Stern 75 Jahre alt.

Rdh

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