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Cees Nooteboom wird 80.: Zuhause auf Reisen

Heute feiert der Schriftsteller Cees Nooteboom seinen 80. Geburtstag - als Schreibender wie Reisender, immer durch das irdische Tal der Tränen.

Als sich Cees Nooteboom 2005 mit der „MS Deutschland“ auf den Weg vom chilenischen Valparaiso den Pazifik runter nach Kap Hoorn macht, verdient er sich diese Reise mit zwei Lesungen auf dem Schiff. Der Einwand eines „berühmten Kollegen aus den Niederlanden“ (vermutlich Harry Mulisch), dass er so zu einem Bediensteten werde und sich abhängig mache, stört ihn nicht weiter, wie er in seinem 2011 veröffentlichten „Schiffstagebuch“ schreibt. „Genau wie 1957, als ich zum ersten Mal nach Südamerika fuhr und die Überfahrt dadurch bezahlte, dass ich Toiletten schrubbte und die Herren Offiziere bei Tisch bediente. Das surinamische Schiff, auf dem ich war, ging später bei Tobago unter, und die Hügel von Tobago waren das erste, was ich von diesem Kontinent gesehen habe.“

Nooteboom spielt damit auf seine erste Reise außerhalb Europas an, nachdem er sich in ein Mädchen aus Surinam verliebt und ihretwegen als Matrose auf einem Schiff angeheuert hatte. Das Reisen war dem 1933 in Den Haag geborenen Schriftsteller allerdings zu diesem Zeitpunkt schon länger zu einer Lebensform, ja nachgerade einer Sucht geworden, seit seinem Rauswurf aus diversen Internaten Anfang der fünfziger Jahre. So sind für ihn Reisen und Schreiben von Anfang an eins gewesen, als Reisender ist Cees Nooteboom stets Schreibender und umgekehrt.

Davon zeugen nicht nur seine zahlreichen Reiseerzählungen, sondern auch seine Romane und Gedichte. Angefangen von seinem Debüt, dem Herumtreiberroman „Philip und die anderen“ aus dem Jahr 1955, über seinen bislang letzten, 2005 erschienen Roman „Paradies verloren“, in dem der Literaturkritiker Erik Zondag auf den Traumpfaden der Aborigines in Australien unterwegs ist, bis hin zu dem dieser Tage bei Suhrkamp veröffentlichten Gedichtband „Licht überall“. In einem der Gedichte heißt es: „Vermisse ich Amsterdam, wenn ich, wie jetzt, weit weg bin? / Nein, Heimweh wirkt anders, es nimmt die Gestalt an / von Büchern. Nicht mein Haus vermisse ich, nicht das Zimmer, / wohl aber das Buch in dem Zimmer (...).“

Auf seinen Reisen, die er sich nicht zuletzt als politischer Reporter finanzierte, hatte Nooteboom zudem das Glück, bei entscheidenden historischen Umwälzungen dabei sein zu können. Er berichtete 1956 vom Aufstand in Ungarn; er erlebte im Mai 1968 die Studentenrevolte in Paris; und er hielt sich 1988 und 1989 mit einem Daad-Stipendium in Berlin auf. Dass seine Bindung zu Berlin seit dem Fall der Mauer eine enge, intensive ist, beweisen unter anderem sein Roman „Allerseelen“ und die „Berliner Notizen“.

Auch zum richtiggehenden Bestsellerautor wurde Nooteboom in Deutschland kurz nach der Wende, und zwar mit seinem locker-philosophischen ProsaTraumspiel „Die folgende Geschichte“. Darin schläft der Altphilologe und Reisebuchverfasser Hermann Mussert in seiner Wohnung in Amsterdam ein und wacht in einem Hotelzimmer in Lissabon wieder auf; einem Hotelzimmer, in dem er 20 Jahre zuvor eine Nacht mit einem jungen Mädchen verbracht hatte. Es bleibt allerdings nicht bei der auf dieser Zimmerreise geleisteten Erinnerungsarbeit: Im zweiten Teil der „Folgenden Geschichte“ landet Hermann Mussert mit ein paar anderen mysteriösen Reisenden auf einem Schiff, und sie alle haben dann vor allem damit zu tun, „sich gegenseitig den Spiegel unserer exemplarischen Zufälligkeit vorzuhalten“.

Auch Cees Nooteboom kommt es manchmal vor, als ob er sich sein Leben „möglicherweise erdichtet habe“, zumal er nur zu gut weiß, dass ein ständig Reisender jemand ist, „der nirgendwo hingehört“. Was ihm jedoch auch eine schöne „metaphysische Gelassenheit“ beschert: „Das Reisen wird dann das, was es wirklich ist, ein Symbol für diese größere Reise, von der wir, wenn wir ganz ehrlich sind, auch nicht sehr viel verstehen: die Reise durch dieses irdische Tal der Tränen.“ Am heutigen Mittwoch feiert Cees Nooteboom auf Menorca, wo er einen Zweitwohnsitz hat, seinen 80. Geburtstag.

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