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Kultur: Champagner im Plastikbecher

Von Jürgen Tietz Während die Architekten früherer Epochen ihre Zeichnungen und Entwürfe noch mit Feder, Pinsel und Graphitstift zu Papier brachten, bedienen sie sich heute schon mal des Kugelschreibers - oder gleich des Computers. Doch es gibt ihn noch: den zeichnenden Architekten, auch wenn er im Zeitalter des Computer Aided Design (CAD) zu einer aussterbenden Gattung gehören dürfte.

Von Jürgen Tietz

Während die Architekten früherer Epochen ihre Zeichnungen und Entwürfe noch mit Feder, Pinsel und Graphitstift zu Papier brachten, bedienen sie sich heute schon mal des Kugelschreibers - oder gleich des Computers. Doch es gibt ihn noch: den zeichnenden Architekten, auch wenn er im Zeitalter des Computer Aided Design (CAD) zu einer aussterbenden Gattung gehören dürfte.

Die ganze Pracht all jener Schätze, die in den Berliner Architektursammlungen schlummern, will derzeit die Ausstellung „Die Hand des Architekten“ im Alten Museum vor Augen führen. Stolze 364 Nummern umfasst der Katalog. Er reicht von einer lavierten Federzeichnung der Straße Unter den Linden aus dem Umkreis von C.H. Horst (Stiftung Stadtmuseum Berlin) bis hin zur Kugelschreiberskizze von Ieoh Ming Peis Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums (Staatliche Museen).

Initiator der Ausstellung, die den UIA Weltkongress begleitet, ist die im September 2001 gegründete Bauakademie unter ihrem Spiritus Rektor, dem Architekten Josef Paul Kleihues. Er hat sich das Ziel gesetzt, Schinkels Bauakademie in Mitte als Architekturzentrum wiederaufzubauen. Die hochkarätigen Exponate, die von insgesamt 14 Institutionen zur Verfügung gestellt wurden, geben einen ersten Überblick über die reichen Berliner Bestände auf dem Gebiet der Architekturzeichnung. Die Gliederung in sieben Abteilungen sollen dafür sorgen, dass die Besucher im Obergeschoss des Alten Museums angesichts der vorgestellten Vielfalt nicht gänzlich die Übersicht verlieren.

Schwerpunkt ist einmal mehr Berlin, als wäre man in der Stadt in den letzten zehn Jahren nicht intensiv genug um den eigenen Bauchnabel gekreist. In Schlaglichtern wird die baugeschichtliche Entwicklung an Pariser Platz, Leipziger- und Potsdamer Platz, Alexanderplatz und Spreebogen dargestellt - egal ob es sich um verwirklichte oder verworfene Projekte handelt - ergänzt um Zusatzkapitel zu Berlins-Mitte und der Bauakademie. Und weil es so viel zu entdecken gibt in den Berliner Sammlungen, präsentiert eine weitere Sequenz Architekturzeichnungen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert.

Verzweifelt sucht man nach dem roten Faden, der all die Köstlichkeiten zusammenhält. Wer allerdings überraschende Architektur-Allianzen mag, der ist hier richtig aufgehoben. So bilden Blätter mit Max Tauts Hauptkinderheim in Kreuzberg (1967), Richard Ermischs Entwurf für das Strandbad Wannsee (1929/32) und Zvi Heckers Wettbewerbsbeitrag für die Grundschule der Jüdischen Gemeinde von 1993 eine fidele Trias.

Abgerundet wird der ermüdende Schweinsgalopp durch die Baugeschichte an der Nachbarwand mit Blättern von Richard Buckminster Fuller und Hugo Häring. Ein Kessel Buntes ist nichts dagegen. Wie aus dem Füllhorn wurden die Kostbarkeiten ausgeschüttet, als wolle man zeigen: das alles und noch viel mehr ...! Doch auch der Ausstellungskatalog, der gleichzeitig der erste Band einer Schriftenreihe der Bauakademie ist, gibt keinen Aufschluss über die Auswahl der Blätter. Immerhin bietet er den Leihgebern die Chance, ihre Sammlungen und deren Schwerpunkte vorzustellen und ergibt somit einen groben Leitfaden durch den Dschungel der Berliner Architekturbestände.

Doch eine fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Architekturzeichnung oder deren Entwicklung, die im CAD-Zeitalter an ihre Grenzen gelangt, sucht man auch dort vergebens. So führt die Zusammenschau der Bestände aus den unterschiedlichen Institutionen zu keinerlei Erkenntnisgewinn. Damit leistet die Ausstellung dem Anliegen der Bauakademie einen Bärendienst, fragt man sich doch, welche inhaltlichen Zielsetzungen mit dem Unternehmen verbunden sein sollen - jenseits des reinen Schau-Effekts.

Dass man mit einem prägnant gewählten Thema -sei es noch so weit gefasst - weit größeren Erfolg erzielen kann, beweist eine Ausstellung des Schinkelzentrums und der Plansammlung der Technischen Universität, die zugleich einer der wichtigsten Leihgeber der „Hand des Architekten“ ist. Unter dem Titel „International“ zeigen sie im Ausstellungsforum des TU-Architekturgebäudes Blätter aus ihrem Bestand, die die Internationalisierung der Architektur seit dem 18. Jahrhundert nachzeichnen. Dabei wird der Wirkung der Antike ebenso nachgespürt wie ausgewählten internationalen Wettbewerben. So sind Hans Poelzigs legendärer Entwurf für das Haus der Freundschaft in Istanbul von 1916 und sein zart schimmerndes Blatt mit dem Entwurf für den Palast der Sowjets in Moskau (1931) zu sehen. Wie wichtig gute internationale Kontakte sind, macht ein Blatt aus der Berliner Reichstagskonkurrenz von 1872 von George Gilbert Scotts deutlich, dass mit finanzieller Unterstützung Norman Fosters restauriert wurde.

Die Hand des Architekten, Altes Museum, bis 29. September, Katalog (Verlag Walther Koenig, Köln) in der Ausstellung 24 Euro.

Internationales Ausstellungsforum im Architekturgebäude der TU, Ernst-Reuter-Platz, bis 9. August.

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