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Eine deutsch-deutsche Diva: Katrin Sass.

© imago/ Future Image

Chanson-Abend mit Katrin Sass: Osten ist immer!

Katrin Sass schafft es, mit alten Sehnsuchtsnummern und Ost-Folklore das Publikum zu begeistern. Auch wenn die Musik manchmal hinter der Moderation zu kurz kommt.

Schon recht, dass die Queen nicht gekommen ist. Wäre ziemliches Gedrängel geworden. So groß ist die Bühne in der Bar jeder Vernunft ja nicht, wo Katrin Sass am Dienstagabend ulkt, dass sie eigentlich noch dringend mit der Ankunft ihrer Majestät im Spiegelzelt rechnet. Aber zwei Königinnen, die sich ein Publikum teilen? Das kann sowieso nicht gut gehen.

Schon erstaunlich, was für einen Bonus die schmale Spröde Katrin Sass bei den Zuhörern genießt. Ist es Fernsehnasenbonus, Starappeal, Liebe? Obwohl ihr zu Beginn der Premiere des Liederprogramms „Königskinder“ hörbar und sichtlich das Herz in der Hose hängt, trägt deren Applaus, deren Zuwendung sie über die Unsicherheit. Ebenso wie der großartige Pianist Henning Schmiedt, der ein elegant akzentuierender, empathischer Begleiter ist. „Henning und ich haben vor drei Jahren eine CD gemacht“, erzählt Katrin Sass. „Die hat keiner gekauft.“ Also habe sie die Bar angerufen, ob sie die Lieder hier vielleicht live singen dürfe. Sie durfte.

Am Ende mehr Röhre

„Als ich fortging“, Dirk Michaelis’ Abgesang auf die DDR, macht den Auftakt. Im Osten sei nicht alles schlecht gewesen, ironisiert die 1956 in Schwerin geborene Schauspielerin munter eine Binse, „wir hatten auch Holger Biege!“ und stimmt „Reichtum der Welt“, eine Umweltschutzballade des großen Soulmans an. Mit einem aufgehellten, vorsichtigen Alt, der so gar nicht der Röhre ähnelt, die 2005 bei „Fahrt ins Blaue“, Sasses Gesangsdebüt, und 2009 beim zweiten Chansonabend „Goodbye, Lenin“ hier zu hören war. Deren Fülle und Temperament entdeckt sie erst in der zweiten Hälfte der Show wieder, als der Nervositätsknoten platzt.

Einen ganzen Gesangsabend zu bestreiten, ist etwas anderes als im Studio oder im Fernsehen einzelne Lieder zu singen. Und singen kann Sass, die beim Anstimmen einiger für ihren seelenverwandten Charakter Dunja Hausmann in der Fernsehserie „Weissensee“ geschriebenen Liedern geradezu mit dieser Persona einer tragischen, systemkritischen Schnapsdrossel verschmilzt. Auch das Publikum charmieren kann sie. Streng in Schwarz und Weiß gewandet – Smokinghose, Bluse, Frackjacke – ist sie unablässig am Murmeln, Lamentieren, Kontakt aufnehmen. Selbst der schwere Schweiger Horst Krause lässt sich zu einem Zwischenruf hinreißen. Es geht ums Baujahr des Fernsehturms am Alex. So wie es musikalisch und moderativ die ganze Zeit um Osten (immer) und Westen (bisschen) geht.

Eine deutsch-deutsche Diva

Schad’ nur, dass die Faselei so den Musikanteil dezimiert. Wo Katrin Sass selbst die totgenudelten Allerweltssehnsuchtsnummern „Über sieben Brücken“ oder „Über den Wolken“ reinen Herzens so interpretieren kann, dass man sie völlig neu erkennt. Oder Holger Bieges leuchtende Ballade „Deine Liebe und mein Lied“ ganz präzise auf den Punkt singen.

Ein Name, den viele der in der Bar traditionell vorherrschenden Wessis wohl erstmals gehört haben. Auch nach den von Sass viel zitierten 25 Jahren Einheit. Doll und eigenartig, wie es die deutsch-deutsche Diva mit ihrer Sentiment, Folklore und Ironie mixenden Haltung schafft, sie durch das Absingen ostdeutscher Volksweisen wie des Pionierliedes „Unsere Heimat“ und des „Sandmann-Liedes“ so umzukrempeln, dass sie abgehen wie die Ossis.

Bis 2. Juli, Di–Sa 20 Uhr, So 19 Uhr

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