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Cher in der Mercedes-Benz-Arena Berlin.

© DAVIDS/Christina Kratsch

Cher live in Berlin: Mamma Mia!

Total drüber, aber auch total toll: Cher gab in der ausverkauften Berliner Benz-Arena das erste Europakonzert ihrer „Here We Go Again“-Tour.

Eine faltenlose Großmutter mit weißen Haaren, die wenig zur Handlung beiträgt - Chers Rolle im zweiten „Mamma Mia!“-Film vergangenes Jahr war klein, wahrscheinlich sogar eine Kränkung für das Ego der Oscarpreisträgerin.

Dass sie in dem Abba-Musical mehr verdient gehabt hätte als zwei Gesangsauftritte, hat Cher kurz darauf mit ihrem Album „Dancing Queen“ demonstriert, auf dem sie zehn Abba-Hits covert. Zwar leiden ihre Versionen etwas unter der lustlosen Produktion, doch Cher ist mit großem Enthusiasmus bei der Sache.

Und sie hat gleich noch eine Welttournee mit dem Titel „Here We Go Again“ drangehängt. Dass sie sich von 2002 bis 2005 schon mal mit einer Tour von ihren Fans verabschiedet hatte - vergessen. Damals dachte sie noch, sie könne nicht mehr mit den jüngeren Kolleginnen mithalten. Diesen Irrtum widerlegt die 73-jährige Sängerin am Donnerstagabend in der Mehrzweckhalle am Berliner Ostbahnhof mit einer eindrucksvollen 90-minütigen Show, die zugleich der Beginn ihrer Europatour ist.

Abba müssen allerdings erstmal draußen bleiben. Cher startet mit dem Song „Woman’s World“ von ihrem Album „Closer To The Truth“, das 2013 erschien. Damals war Lady Gaga die regierende Popkönigin und so klingt dieser Eröffnungssong denn auch wie eine nachgereichte Hommage an die New Yorker Kollegin. Macht nichts, schließlich war Cher in so vielem ein Vorbild für die Generationen, die nach ihr kamen. Sei es durch ihre Wandlungsfähigkeit, den offensiven Einsatz ihres Körpers und das Ausstellen von Künstlichkeit, das in ihrem legendären Autotune-Hit „Believe“ gipfelte. Eine Pioniertat, die bis heute nachwirkt.

Tänzeln zwischen Camp und Trash

Chers ständiges Mäandern zwischen Camp und Trash hat ihr eine treue queere Fangemeinschaft eingebracht, die im bestuhlten Saal auch zahlreich vertreten ist. Und die Sängerin erfüllt die Erwartungen an einen überkandidelten Diva- Auftritt schon ab den ersten Minuten, in denen sie in einem Glitzerkleid, mit türkiser Riesenperücke, pinkfarbenem Lidschatten und einem goldenen Mikro von der Decke schwebt. Auf der Bühne wird sie von Tänzerinnen und Tänzern in knappen Römer-Outfits umschwirrt. Kurz darauf verwandelt sich die Szenerie in ein völlig beknacktes Fake-Indien, Cher rollt auf einem elektrischen Elefanten mit wackelndem Kopf hereinrollt. Der ganze Abend ist total drüber, aber irgendwie auch ziemlich toll.

Dass der einstöckige Bühnenaufbau mit den seitlichen Treppen aussieht als stamme er von einer zweitklassigen Las-Vegas-Revue aus den Achtzigern, fällt aufgrund der geschickten Lichtdramaturgie sowie der vielen im Hintergrund laufenden Animationen und Videos nicht weiter auf. Ohnehin möchte man Cher, die so gut gelaunt und liebenswert auf der Bühne herumtrippelt, wirklich alles nachsehen.

Beispielsweise einen zehnminütigen Monolog über ihren 40. Geburtstag (damals stand die Mauer noch), dessen Pointe allerdings auch ohne diese Geschichte funktioniert hätte: Cher nennt ihr Alter, um zu zeigen, dass man nicht „over“ sei, nur weil man alt ist. Und ja: „Mädchen, ihr könnt alles machen, was ihr wollt!“.

Video-Duett mit dem Ex-Mann Sonny

Die Karriere der im kalifornischen El Centro mit dem Namen Cherilyn Sarkisian geborenen Sängerin ist dafür sicherlich ein Beleg. Wie lang ihr Weg war, zeigt sie mit einem Abstecher in ihre Anfangszeit mit dem Duo Sonny & Cher. Sie singt erst „The Beat Goes On“ und dann den Durchbruchssong „I Got You Babe“ von 1965, was ein wenig gespenstisch wirkt, denn bei dem Hippie-Hit mit dem schönen Oboen-Motiv wird der vor 21 Jahren verstorbene Sonny Bono mittels Schwarz-Weiß-Video eingeblendet, seine quäkige Gesangsspur zugespielt. Cher wendet sich dem Bild des Mannes zu, den sie einmal einen schrecklichen Ehemann nannte und von dem sie sich 1974 scheiden ließ. Der Song endet mit einem alten Kussbild der beiden.

Zum Glück geht es immer schnell mit etwas völlig anderem weiter. Meist wechselt Cher dafür das Kostüm und die Perücke, insgesamt sieben oder acht Mal, es ist schwer den Überblick zu behalten. In den Pausen laufen weitere Cher-Songs, es gibt eine Akrobatik-Einlage und eine Montage von Ausschnitten aus ihren Spielfilmen.

Drei Abba-Songs sind im Programm

Einen richtigen Flow kann die Show dadurch nicht entwickeln. Doch ist es jedes Mal wieder ein Wow-Effekt, wenn Cher in einem neuen Outfit erscheint. Etwa als sie genau in der Mitte des Konzerts bei ihren Abba-Liedern angekommen ist.

Sie trägt eine blonde Wallemähne und dazu einen lilafarbenen Hosenanzug mit paillettenbesetztem Schlag plus Glitzerumhang. Das Publikum ist beim ersten Ton von „Waterloo" auf den Beinen, die Band hält ihn - genau wie die beiden anderen Abba-Songs - nah am Original. Dass bei „Fernando“ die Insel und das Kistchfeuerwerk aus dem „Mamma Mia!“-Film eingeblendet werden, versteht sich von selbst.

Cher ist gut bei Stimme, was sich etwa beim kraftvollen Finale von „Welcome To Burlesque“ zeigt und als sie "Walking In Memphis“ covert, wobei sie ein wenig an Stevie Nicks erinnert. Nur vereinzelt scheint ein wenig Hilfe aus dem Rechner zu kommen, außerdem sind zwei Background-Sängerinnen dabei.

Das Finale des zugabenlosen Konzertes gehört natürlich „Believe“, Chers letztem großen Hit von 1998. Sie macht daraus eine fröhliche Danceparty mit Wummerbeats und dem berühmten Autotune-Wimmern.

Bis kurz vor Weihnachten ist die Sängerin noch auf ihrer „Here We Go Again“-Tour - eine irre Energieleistung. Abba, deren Mitglieder im selben Alter wie Cher sind, und die sich im vergangenen Jahr wiedervereinigt haben, könnten sich daran mal ein Beispiel und endlich ihre angekündigten neuen Songs veröffentlichen. Vielleicht wäre Cher ja für einen Gastauftritt zu haben - oder eine Coverversion.

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