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CHINA Kracher (Finale): Rot und Schwarz

Morgen beginnt Olympia. Müh-Ling trainiert heute: Farbenlehre

Wenn von China die Rede ist, spricht man im Westen gerne von der „gelben“ oder der „roten Gefahr“. Bei der Gefahr ist man sich sicher, bei der Farbe nicht. Schuld mag ein Ausspruch Deng Xiaopings sein: „Es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse“, sprach der Chefreformer, bevor er Chinas rotkommunistische Planwirtschaft in einen Kapitalismus unklarer Tönung verwandelte. Wohl deshalb wird das chinesische Rot heute eher als Tarnfarbe empfunden.

Zhang Weiying, ein ehemaliger Berater Deng Xiaopings, erzählt gerne folgende Variante des Schwarz-Weiß-KatzenAxioms. Ein Dorf betreibt seine Wirtschaft mit Pferden. Obwohl in anderen Regionen mit weit höherem Ertrag Zebras eingesetzt werden, beharren die Dörfler auf Pferden – weil ihre Ältesten ihnen einen tiefen Aberglauben gegen Zebras eingeimpft haben. Eines Tages aber erkennen die Dorfältesten ihren Irrtum und beschließen, die Wirtschaft unbemerkt auf Zebras umzustellen. Nachts bemalen sie heimlich eins der Pferde mit Streifen. Am nächsten Tag ist die Aufregung groß: Ein Zebra ist im Dorf! Nein, beschwichtigen die Ältesten: Es ist bloß ein gestreiftes Pferd. Die Dörfler beruhigen sich.

In der Folgenacht wird das nächste Pferd bemalt, so lange, bis es im ganzen Dorf nur noch gestreifte Pferde gibt, an deren Anblick sich die Bewohner gewöhnen. Behutsam tauschen die Ältesten dann die Streifenpferde gegen echte Zebras aus – so lange, bis die Dorfwirtschaft boomt. Erst viele Jahre später erkennen die inzwischen reich gewordenen Bauern, dass ihre Pferde eigentlich Zebras sind – und dass Streifen nicht schlank, sondern fett und rosig machen.

In meiner Straße in Peking gibt es einen Imbissverkäufer, der sich jeden Morgen einen neuen Preis für seine Teigtaschen ausdenkt. Das Feilschen beginnt beim Frühstück – von wegen Kommunismus! „Du verstehst das falsch“, sagt er, „China ist rot – wie die Sonne.“ Ich starre in den Himmel. „Die Sonne ist nicht rot“, sage ich. „Sie ist blass und gelb, man sieht sie kaum vor lauter Smog.“ Der Mann lächelt. „Aber wir wissen ja“, sagt er, „dass die Sonne hinter dem Smog rot ist.“

Morgen werden die Olympischen Spiele eröffnet. Das Feuerwerk dürfte bunt werden.

Müh-Ling trainierte bis zum heutigen Finale: Zählen (7. 7.), Maoismus (12. 7.), Entschuldigen (14. 7.), seinen Magen (16. 7.), Propaganda (21. 7.), Radfahren (28. 7.), Chinglish (31. 7.) und Maßhalten (4. 8.).

Müh-Ling

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