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Kultur: Chip und Clint

Wie die Berlinale sich vorm Start präsentiert

Von fremden Onkels, lernt man als Kind, soll man keine Schokolade annehmen. Von bekannten Onkels schon, lernt man als Erwachsener – sofern sie Dieter Kosslick heißen. Als das gestrige, alljährliche Berlinale-Start-Pressekonferenzritual bereits Spielfilmlänge angenommen hatte, baute sich der Festivaldirektor, den die weite Filmwelt beim Vornamen nennt, in verwandtschaftlicher Gemütlichkeitspose am Rande des Podiums auf und hielt – ja, tatsächlich! - die Berlinale-Schokolade in die Kameras. Das beige Täfelchen mit dem roten Bären gehört zu den neuen Merchandising-Produkten des Festivals und ist, hergestellt von Öko-Kakao-Kooperativen im fernen Ecuador, für edelbittere 3,50 Euro zu haben.

Immerhin eine süße Anekdote hatte Kosslick im Gepäck, und wenn nicht er sie erzählt hätte, dann wäre sie zumindest sehr gut erfunden. Also: Wie bringt der Berlinale-Boss den neuen Clint Eastwood („Letters from Iwo Jima“) ins Programm? Ganz einfach: Er sichtet in Hollywood für Berlin gerade ein anderes Werk („The Good German“) und entdeckt am Rand des Geländes seinen Kumpel Chip vom Dreamworks-Studio. Er läuft ihm entgegen und will ihn freudig begrüßen – nur: Chip ist gar nicht Chip, sondern Clint. Worauf Kosslick, von Haus aus eher leicht von Begriff, sogleich die Eastwood-Chance wittert. Was der denn so für Berlin in der Pipeline hätte? Drauf Eastwood verschwörerisch: „Dieter, don’t stop pushing me.“

Dass nun nicht nur „Letters from Iwo Jima“, sondern auch dessen weltgerühmter Regisseur persönlich anreist: Müssen wir dies angesichts solcher Pointe noch hinzufügen? Ja, solche Nachrichten machen Laune eine runde Woche vor Berlinale-Start am 8. Februar, zumal ansonsten ein gewisser Grauschleier über dieser 57. Festivalausgabe liegt – aber das mag einstweilen optische Täuschung sein. Die verantwortlichen Herren, selber ein wenig grau geworden und teils mit dynamisch neuen schwarzen Hornbrillen ausgestattet, sitzen zwar auf knallroten Stühlen; ihre Ausführungen aber machen sie vor einer Plakatwand, in der die schmalbunten Schriftzüge der jeweiligen Festivalsektionen es gegen das grundierende Hellgrau bis Anthrazit arg schwer haben. Irgendwie (ent-)färbt das ab. Ein Hauch von Routine umweht den Beginn des zweiten Fünfjahrplans der Ära Kosslick, die terminüblichen Lacher lassen auf sich warten, und als der Direktor sich, unvermutet forsch vom einzig dauerfrischen Moderator gefragt, als „Intellektueller“ outen soll, mag er das wiederum selber nicht recht komisch finden.

Wie sagte Kosslick? „Es ist Februar, dann gehen wir halt da hin.“ Nein, keine Filmmüdigkeit, nur leichte präludiale Ermattung. Und jetzt her mit der Berlinale-Schokolade!

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