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Hannes Reich leitet den Freiburger Bachchor.

© Kai Bienert

Chordirigentenpreis: Stille als Stärke

Hannes Reich gewinnt den Wettbewerb der Chordirigenten. Eine gute Wahl, wie das Konzert mit dem RIAS-Kammerchor im Kammermusiksaal zeigt.

Ist das Finale des deutschen Chordirigentenpreises nun eigentlich ein Wettbewerb oder ein Preisträgerkonzert? So richtig entscheiden mochte sich Jörg-Peter Weigle – Juryvorsitzender bei diesem einzigen deutschen Wettbewerb für junge Chordirigenten – da lieber nicht. Tatsächlich kann man die Teilnahme für die drei aus den Stipendiaten des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates ausgewählten Finalisten bereits als Gewinn betrachten.

Auch weil es sich bei dem musikalischen Partner immerhin um den RIAS-Kammerchor handelt. Dieses Spitzenensemble nicht nur sicher durch ein Programm zu steuern, das von Messiaen über Brahms und Vaughan Williams bis zu Altmeister Heinrich Schütz reicht, sondern dabei auch als eigenständige künstlerische Persönlichkeit sichtbar zu werden, ist die Herausforderung, der sich Christian Meister, Lukas Grimm und Hannes Reich stellen müssen Alle drei Kandidaten, die bereits erfahrene Dirigenten eigener Ensembles sind, hatten während ihres Stipendiums die Gelegenheit, eine repräsentative Auswahl von Deutschlands besten Chören kennenzulernen.

Beim Konzert im Kammermusiksaal zeigt sich Christian Meister verliebt ins Legato und in den körperreichen Klang des RIAS-Kammerchores. Vaughan Williams „The Cloud-capp’d Towers“ schildert er als beeindruckende Endzeitvision mit langsam versinkenden Palästen und Tempeln. Dynamisch gut disponiert auch die Nr. 1 aus Olivier Messiaens Cinq Rechants, die mit ihrem finalen Gegensatz von vielfachem Forte und gehauchtem Pianissimo überrascht.

Reich leitet den Freiburger Bachchor

Dass Messiaens mit kleinen Soli durchsetzten Stücken auch ein wenig mehr Extrovertiertheit und Lust am geräuschhaften Klang guttun kann, zeigt der opernerfahrene Lukas Grimm. Dem künstlerischen Leiter des Freiburger Kammerchores gelingen heikle Miniaturen wie das aus der Bewegung in leuchtend ätherische Höhen verduftende „O süßer Mai“ von Brahms, während es den zwei Motetten aus Heinrich Schütz Geistlicher Chormusik an Transparenz fehlt.

Keiner Jury hätte wohl die Bestimmung des Preisträgers bedurft, denn deutlich hob sich Hannes Reich von seinen fähigen Mitbewerbern ab. Zu den Stärken des künstlerischen Leiters des Freiburger Bachchores gehört die Stille: Sei es eine rhetorische Pause in einem Brahms-Lied, einer Schützmotette oder auch das gespannte Luftanhalten nach einem spannungsvoll gesetzten Schlusston – die innere Spannung konnte Reich gleich mehrfach in die Welt der Stille weiterführen.

Die starke Zugabe verblüfft das Publikum

Spannung entsteht bei Reich aber auch durch eine leichte Unberechenbarkeit seiner Gesten, womit er keineswegs Unruhe erzeugt, sondern eine intensive Kontaktaufnahme erzwingt und eine ganz unmittelbar wirkende musikalische Kommunikation ermöglicht. Als guter Erzähler gibt er jedem Stück einen klaren dramatischen Bogen, während er als Klangfarbenmaler den Glocken in Vaughan Williams „Full Fathom Five“ einen gut beobachteten metallenen Beiklang verleiht. Eine starke Zugabe liefert Reich, den man gerne einmal einen ganzen Abend mit dem RIAS-Kammerchor hören möchte, nach der Preisverleihung mit Mendelssohn Bartholdys „Warum toben die Heiden“: ein mit Transparenz und eiserner Energie gestalteter Aufruf zur Demut, der vom Publikum zuerst mit verblüffter Stille und dann mit Jubel belohnt wird.

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