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Vom Dirigent zum Dramaturgen. Christoph von Dohnányi leitet die Staatskapelle durch Bartók und Brahms.

© Maurizio Gambarini

Christoph von Dohnányi dirigiert die Staatskapelle: Samtweich

Die Staatskapelle Berlin führt Bartók und Brahms unter Leitung von Christoph von Dohnányi auf.

Es gibt Fehler, die einen ewig verfolgen. Bei Musikern sind das manchmal diejenigen, die sich schon in Kinderjahren festsetzen. Schneller ist zum Beispiel nicht gleich lauter. Wenn das Tempo langsamer wird, geht das nicht zwingend mit einer leiseren Dynamik einher. Selbst Vollprofis wie die Staatskapelle Berlin haben damit mitunter noch zu kämpfen. Bei ihrem vierten Abonnementkonzert in der Philharmonie war es die „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ von Béla Bartók, die das zeigte.

Das viersätzige Stück ist von fugierten Teilen durchzogen, die von Bartók so durchsichtig instrumentiert wurden, dass jeder Fehltritt zu hören ist. Dort wandern Melodien durch die Register, schieben sich übereinander und verschachteln sich anschließend, um dann wieder zu einem gemeinsamen, meist leisen Unisono zurückzukehren. Mit steigender Komplexität drängelt das Orchester. Bei den langsamen Passagen ist es umgekehrt. Christoph von Dohnányi, einer der gefragtesten Altmeister der Dirigentenzunft, reagiert sofort, federt das Tempo ab oder lässt das Orchester rasen.

So behutsam ist Brahms selten zu hören

Dohnányi ist zum Glück kein reiner Techniker, er will viel mehr als disziplinieren. Ansonsten hätte er die zweite Sinfonie von Johannes Brahms anders dirigieren müssen. Zum Glück verbeißt er sich nicht in musikalische Mikrodetails, wie es häufig bei Brahms passiert. Er entscheidet sich für den großen Bogen. Dohnányi setzt jedes musikalische Motiv in ein Beziehungsgeflecht zu anderen, als wiesen diese gleichzeitig auf Vorangegangenes und Folgendes. Dadurch gewinnt die zweite Sinfonie den Charakter einer fortlaufenden Erzählung. Dohnányi wird zum Dramaturgen.

Brahms hatte bei seiner ersten Sinfonie, mit einer Schaffenszeit von 15 Jahren, noch damit zu kämpfen, dem Übervater Ludwig van Beethoven gerecht zu werden. Die Zweite brachte er in ein paar Monaten zu Papier, und zwar wie aus einem Guss. Die Einsätze der Staatskapelle sind samtig weich, am Ende jeder Melodievokalise kann keiner mehr sagen, wann sie verklingt. So behutsam ist das selten zu hören. Christoph Dohnányi und die Staatskapelle Berlin sind herausragende Geschichtenerzähler, denen man ewig zuhören mag.

Christopher Warmuth

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