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Kultur: Chromatische Klagen

Viel Schelte hat Kryzstof Penderecki einstecken müssen; daß der einstige Protagonist des die Grenzen des Klanges überschreitenden "Sonorismus" zu Polens originärer Beitrag zur Neuen Musik zu sich romantisierend ins 19.Jahrhundert zurückzog, wollten ihm die Avantgarde-Zirkel nicht verzeihen.

Viel Schelte hat Kryzstof Penderecki einstecken müssen; daß der einstige Protagonist des die Grenzen des Klanges überschreitenden "Sonorismus" zu Polens originärer Beitrag zur Neuen Musik zu sich romantisierend ins 19.Jahrhundert zurückzog, wollten ihm die Avantgarde-Zirkel nicht verzeihen.Und wirklich läßt sich seinen neueren Werken der Vorwurf einer gewissen Eintönigkeit, der immer gleichen kleinschrittigen Melodik und simpel gestrickten Polyphonie nicht ersparen.Faszinierend jedoch, wie der Komponist am Pult der "Sinfonia Cracovia" in der vollbesetzten Philharmonie seine Musik zum Klingen bringt, ihr mit flexibel-präzisen Gesten unmittelbare Ausdruckskraft und transparente Anmut abgewinnt.Mit Tabea Zimmermann hat er für sein Bratschenkonzert von 1983 die kongeniale Interpretin gewonnen.Wie sie die ersten "Seufzer" des chromatisch gefaßten Hauptthemas spannungsvoll auflädt, ihm sowohl sanfte wie rauh aufbegehrende Stimme verleiht, ist ein lange nachwirkendes Erlebnis.Hochvirtuoses Format entwickelt sie in dramatischen, ein wenig Bartók-Flair enthaltenden Zuspitzungen, sinkt zum Schluß mit wunderbarer, von plötzlichen Dissonanzen umspielten Höhe in zarte Melancholie zurück.Wie delikat das polnische Kammerorchester spielen kann, ohne die pathetische Zutat von Pauken und Röhrenglocken, zeigt sich noch eindrucksvoller in der ebenfalls überraschend melancholischen "Serenade" und der "Sinfonietta" für Streichorchester, die mit überraschenden Farbwechseln verschiedener Strich- und Griffarten, witzig aufgeteilten Intervallspielen, mit durch die Gruppen rotierenden, sich manchmal dicht zusammenklumpenden Drei-Ton-Motiven durchaus an die frühere Klangmagie erinnert.Nur daß für Penderecki jetzt die Melodik als Träger faßlicher Botschaften im Mittelpunkt steht.

Fortschritts- und Zukunftsglaube sind verloren gegangen, sagen diese immer wieder chromatisch klagenden Werke, die Penderecki mit seinem "De Profundis" als Zugabe beschloß.Unversehens zum Kommentar, zum "Lamento" über die tragische Situation Europas wurde dieses Konzert - das als musikalischer Höhepunkt der "Polnischen Woche" Berlin-Brandenburg in begrüßenswertem Austausch mit einem Philharmoniker-Auftritt in Krakau stattfand - zu "europäische Humanität, wie wir sie uns wünschen".Den Aufbruch nach dem Zweiten Weltkrieg strahlte zu Beginn noch Igor Strawinskys spritzig-spöttisches "Concerto in D" aus.Den bitteren Preis dafür benannte abschließend Schostakowitschs Kammersymphonie op.110 - ursprünglich 1960 als Streichquartett im Andenken an die Opfer der Bombardierung Dresdens entstanden -, deren hochsensible Darbietung in bedrückender Aktualität tief berührte.

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