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Kultur: Cindy als Fototapete

Von Krise keine Spur: In Basel boomt sogar die spröde Konzeptkunst

Neben den Luxusautos der Shuttle-Flotte stehen zwei graue Kleinwagen. Matt und verbeult. Wie hässliche Entlein, die kein Gast der Art Basel fahren will. Was suchen die zwei Nissans dann auf dem Vorplatz, den während der wichtigsten internationalen Kunstmesse Großplastiken von Heimo Zobernig oder Ai Weiwei besetzen? Im Zweifelsfall einen Kunden, der das Ensemble von Alicja Kwade für knapp 30 000 Euro mitnimmt. Und vielleicht fällt ihm zu Hause auf, dass sich die beiden Autos auf unheimliche Weise spiegeln: Die Beulen mit Rostflecken tauchen ebenso wie die Buchstaben auf den Nummernschildern seitenverkehrt auf.

Weit weniger als „Nissan (Parallelwelt 1+2)“ kostet Kwades Arbeit in der Koje der Galerie Johann König. Ein an der Wand lehnender Zweig und sein künstlicher Doppelgänger, bei dem jedoch alles in die entgegengesetzte Richtung weist. Ein schönes Bild für die Art Basel, deren 41. Ausgabe im ersten Moment wie ein Klon ihrer selbst wirkt. Aus dem schieren Überangebot jener internationalen Galerien, die am big business in Basel teilhaben möchten, scheinen sich die Direktoren Annette Schönholzer und Marc Spiegler wie immer jene Messekonzepte herausgesucht zu haben, die Inhalt plus Umsatz versprechen. Und wie in jedem Jahr verlieren ein paar etablierte Galerien ihre Kojen, weil das Angebot der Messe maßvoll frisch und überraschend sein soll.

Weshalb es diesmal Utermann aus Dortmund und Moeller Fine Art aus New York erwischt hat, die mit Namen wie Beckmann, Feininger, Kirchner und Picasso arbeiten, bleibt dabei einigermaßen rätselhaft. Zumal von den Wänden anderer Kojen alte Bekannte vom vergangenen Jahr grüßen und sichtbar machen, dass auf dem Markt der Klassischen Moderne just ein Engpass herrscht. Sichere Werte behalten Sammler in turbulenten Zeiten nun einmal gern für sich und bringen so den Fluss von Angebot und Nachfrage zum Stocken.

Was für eine Wohltat ist da die Koje des Berliner Kunsthändlers Jörg Maaß, der mit gleich sieben Aquarellen und Ölgemälden von Max Beckmann aus einer US-Sammlung auftrumpfen kann. Sie alle waren vier Jahrzehnte in privater Hand, verfügen über erstklassige Provenienzen und müssen nun im Zuge finanzieller Spekulationsverluste verkauft werden. Kein schöner Anlass, doch der Art Basel beschert er eine jener seltenen Injektionen, die marktfrische Bilder en gros bewirken. Dazu von einem Künstler, dessen Werk fast gänzlich in Museen aufbewahrt wird und diese Institutionen nie wieder verlässt. So konnte Maaß bald nach dem Vip-Rundgang rote Punkte in seine Mappe kleben und diskret den Verkauf mehrer Bilder „zwischen ein und drei Millionen Euro“ vermelden.

Rote Punkte gab es eine Etage darüber ebenfalls jede Menge. An den Wänden der Berliner Galerie Neugerriemschneider, in deren Koje man sich verwundert die Augen rieb. Ein Kunstsalon mit grauen Wänden, edler Beschriftung, antiken Ai-Weiwei-Stühlen – und To-Go-Gemälden des ewigen britischen Punks Billy Childish, der bislang aller Vermarktung strikt aus dem Weg gegangen ist. So lässt sich die Inszenierung der Galerie nur als pure Ironie begreifen und die Koje als Gesamtkunstwerk. Tatsächlich rissen sich die Kunden schon in den ersten Stunden der Art Basel um die Farbstrudel auf ungrundierten Leinwänden, die es ab ein paar tausend Euro aufwärts gab. Wie auf einem Bazar durfte sich fühlen, wer dazwischen stand, und vielleicht ging es Neugerriemschneider ja genau um dieses entlarvende tableau vivant.

Solche Verschiebungen lassen ahnen, dass der Kunstbetrieb nicht einfach so weitermacht. Zwar füllen die üblichen Verdächtigen ihre Kojen nach wie vor mit Großmannskunst von Damien Hirst oder Takashi Murakami und steht man ratlos in der wichtigen Galerie Hauser und Wirth vor den monströsen Skulpturen eines Paul McCarthy, um sich zu fragen, welcher europäische Sammler seinen Garten denn nun mit jenen Riesenzwergen verstopft, nachdem er drei Millionen US-Dollar dafür bezahlt hat. Gleichzeitig aber muss man nicht länger wehmütig daran zurückdenken, dass McCarthy sich früher mit einfachsten Mitteln an der amerikanischen Disney-Kultur abgearbeitet hat. Tatsächlich ist auch die performative, abstrakte und mit „armen“ Materialien geschaffene Kunst auf der Art Basel zurück. Deutlich markiert dies etwa die Galerie Marlborough, wenn sie drei schwarzen Großformaten von Ad Reinhardt eine ganze Wand reserviert und dafür bis zu je 1,3 Millionen Dollar erwartet.

Auf der Art Unlimited, der Halle für Installationen, bewegt man sich durch einen Raum voll gerollter Pappe, den Michelangelo Pistoletto erstmals 1969 aufgebaut hat. Von der Decke hängt ein stählernes Mobilé von Kenneth Martin aus den achtziger Jahren, dass die Londoner Galerie Juda mitgebracht hat. Und während man sich die Warteschlange vor dem effekthascherischen Spiegelzimmer von Yayoi Kusama (Gallery Gagosian) getrost sparen kann, fesseln einen die beleuchteten Käfige von Haegue Yang (Galerie Kukje, Korea) zwar nur langsam, dafür jedoch nachhaltig.

Gewiss machen solche Objekte bei 2500 Künstlern und 300 Galerien noch keinen Trend. Doch die raumfüllenden Zeichnungen von Nancy Spero oder Miriam Cahn sind ebenso wenig zu übersehen wie ein Fotofries von General Idea aus dem Jahr 1976 (Galerie Esther Schipper, 55 000 Euro). Und selbst die neuen Arbeiten von Cindy Sherman kleben bei Metro Pictures als einfache Fototapete an der Wand. Diese neue Vielfalt tut der Art Basel gut.

Art Basel, bis 20.6., www.artbasel.com

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