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CITY Lights: Der Himmel über Pompeji

Das neue Campingplatz-Kino in der Kastanienallee wurde dieser Tage bereits im Lokalteil vorgestellt. Nebenbei wurde dabei erwähnt, dass diese Hinterhof-Idylle nur einen Sommer blühen darf, bevor auch hier die prenzelmitte-kiezüblichen Luxusdomizile hochgezogen werden.

Das neue Campingplatz-Kino in der Kastanienallee wurde dieser Tage bereits im Lokalteil vorgestellt. Nebenbei wurde dabei erwähnt, dass diese Hinterhof-Idylle nur einen Sommer blühen darf, bevor auch hier die prenzelmitte-kiezüblichen Luxusdomizile hochgezogen werden. Ein paar alte Kastanien auf einer Grünfläche nebenan wurden schon geopfert. So hat die Freude über einen Kinoort, wo junge No-Budget-Filmer umsonst & draußen ihr Schaffen präsentieren, von Anfang an einen bitteren Geschmack.

Es ist nicht der einzig neue Spielort seiner Art: Auch die Tilsiter Lichtspiele besitzen neuerdings ein Wochenend-Outdoor-Kino: Die Dependance ist ein ehemaliger Defa-Filmbunker im kulturellen Noch-Niemandsland zwischen Ostkreuz, Ex-Narwa-Gelände und Spree und nennt sich antikisierend Tilsiter in Pompeji. Dabei erinnert das zwischen Autoteilefirmen und Jugendclub liegende FlachbauEnsemble mit integriertem Biergarten eher an verflossene Altwestberliner Remisen-Romantik als an das italienische Kampanien. Gespielt wird freitags und sonnabends, morgen steht mit Roman Polanskis Tanz der Vampire ein Klassiker auf dem Programm, der in seinem morbiden Charme der Aufführungsstätte nur wenig nachsteht. Den nahen Wasserturm als magmaspeienden Vesuvio zu imaginieren, wie es die Betreiber in ihrer Ankündigung tun, zeugt von Fantasie gegenüber der hässlichen urbanen Umgebung, reale Gefahr fürs Überleben dürfte aber auch hier eher aus den Büros der Investoren kommen. Wenn auch wohl erst in Jahren – das Terrain ist durch Verkehrs-Trassen ziemlich eingekeilt.

Das hässlichste urbane Monstrum war jahrzehntelang die Mauer, deren 50. BauJubiläum soeben groß begangen wurde. Nachträglich sei auf eine Filmreihe hingewiesen, die an verschiedenen Spielorten an die Grenzkinos erinnert, die ab 1950 mit Billigpreisen Ost-Berliner ins westlich dekadente Kinovergnügen lockten. Von den einst 30 Grenzkinos nahe dem sowjetischen Sektor Berlins ist keines erhalten, der Publikumsentzug durch den Mauerbau besiegelte ihr Ende. Die Wiener Lichtspiele in Kreuzberg waren danach erst Kneipe, bevor nach diversen Diskotheken unlängst die Konzertbühne Cortina Bob einzog. In den fünfziger Jahren war das Haus ebenso wie die nahegelegene Filmbühne Naunynstraße ein vielgeschmähter Treffpunkt jugendlicher Halbstarker, die gerne mal den Saal demolierten. Nun gibt es am Sonnabend am Originalschauplatz – Wiener Straße 34, www.berliner-grenzkinos.de – mit Rock Around the Clock (1956) einen jener Krawallfilme , der die – östlicherseits gierig aufgegriffene – Kritik am Niveau der Grenzkino-Programme befeuerte. Statt 25 Pfennig kostet das heute allerdings 7 Euro. Dafür gibt es Party danach. Und das Publikum? Ist sicher gesittet.

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