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CITY Lights: Erste Bilder, letzte Wunder

Zelluloid ist langlebig. Doch das Kino hat – bis auf wenige Klassiker – ein schlechtes Gedächtnis.

Zelluloid ist langlebig. Doch das Kino hat – bis auf wenige Klassiker – ein schlechtes Gedächtnis. Deshalb ist es eine gute Idee, im Lichtblick-Kino unter dem Label „Zurück auf Anfang“ im Monatsrhythmus Debütfilme mittlerweile gereifter Regisseure vorzustellen. Diesmal ist Andres Veiel an der Reihe, der in seinem Erstling Winternachtstraum (1992, am Montag) Anfang und Ende einer Bühnenkarriere zu einem berührenden Zeitbild verschmilzt. Der Film porträtiert die Schauspielerin Inka Köhler-Rechnitz, die Ende der 20er Jahre ihre Ausbildung abschloss, aber ihr Ehemann verbot ihr, ein Engagement am Stadttheater Görlitz anzutreten. 60 Jahre später kehrt sie zu einem Gastspiel an die Bühne zurück. Das Alter machen sie und ihre neun betagten Mitkomödiantinnen nicht milder. Die Truppe ist renitent, der Star zeigt Allüren und beschwert sich über Regisseur Veiel, der parallel zu den Proben auch noch den Film drehen will. Veiel (im Lichtblick zum Gespräch anwesend, im Film selbst mit Vokuhila-Frisur zu sehen) montiert Sofagespräche mit der streitbaren Dame („Wozu muss ich hübsch sein, ich kann ja hübsch spielen“) mit Einblicken in die turbulente Probenarbeit und atmosphärischen Intermezzi.

Zurück auf Anfang geht es auch in den Kreuzberger Kinos Eiszeit, fsk und Sputnik, die den Filmstart vom Aki Kaurismäkis „Le Havre“ zum Anlass nehmen, kollektiv das Gesamtwerk des bildgewaltigen finnischen Menschenfreundes vorzustellen. Mit dabei ist natürlich die großartige Kati Outinen, die in Schatten im Paradies (1986, im Eiszeit am Samstag) mit nur 25 Jahren als arbeitsloses Kassenfräulein ihr Kaurismäki-Debüt feierte. Der Durchbruch kam vier Jahre später mit Das Mädchen aus der Streichholzfabrik (heute, Donnerstag, im fsk), der vielleicht schönsten Kaurismäki-Arbeit. Die bittere Geschichte von Einsamkeit, Ausbeutung und Rache wird darin so trügerisch einfach erzählt, wie es nur wahre Filmkunst vermag. Aus dem zerbrechlichen Mädchen von damals ist eine gestandene Frau geworden, die im echten Leben als Professorin Theaterkunst lehrt. Andere hätten sie längst durch jüngere Schauspielerinnen ersetzt. Doch Kaurismäki lässt sein Ensemble mit sich altern und gewährt Outinen in „Le Havre“ sogar eine Wunderheilung in letzter Minute. Eine schöne Art, der Vergänglichkeit zu trotzen.

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