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CITY Lights: Heiße Drähte

Nur uralteingesessene Berliner können sich vermutlich noch an die Einführung des Kabelpilotprojekts im Stadtstaat und die damit verbundene heftige Protestbewegung Anfang der achtziger Jahre erinnern. Die Stadterleuchterin selbst stand damals durch ihre professionsbedingte freudige Erwartung des direkten Drahts zur schönen bunten TV-Welt in ihrem alternativ geprägten Umfeld auf eher einsamem Posten.

Nur uralteingesessene Berliner können sich vermutlich noch an die Einführung des Kabelpilotprojekts im Stadtstaat und die damit verbundene heftige Protestbewegung Anfang der achtziger Jahre erinnern. Die Stadterleuchterin selbst stand damals durch ihre professionsbedingte freudige Erwartung des direkten Drahts zur schönen bunten TV-Welt in ihrem alternativ geprägten Umfeld auf eher einsamem Posten. Heute kommen Filme und Nachrichten auf den verschiedensten Wegen zu uns geflogen, wir geben unsere Privatsphäre selbst bereitwillig ins Netz, und das analoge Kabel ist schon fast eine antiquierte Technologie.

„Berlin am Kabel“ heißt ein von Florian Wüst kuratiertes Programm im Arsenal, das noch einmal in jene Zeiten reist und Filme zur Geschichte der Rundfunk- und Fernsehtechnik mit Beispielen zur Entwicklung künstlerischer Videoformate verknüpft. Neben einem Kurzfilmprogramm am Samstag ist am heutigen Donnerstagabend auch Echtzeit von Hellmuth Costard und Jürgen Eberts zu sehen, ein experimenteller Spielfilm aus dem Jahr 1983, der lange vor Schirrmachers „Payback“-Jammerei die Bedrohungen des realen Lebens durch virtuelle Welten thematisierte und dabei auch militärtechnische Querverbindungen mitdenkt.

In den Westsektoren der Welt war die damalige Videobewegung mit ihren Medienlaboren und Produktionskollektiven auch ein Versuch, mit innovativen technischen Mitteln eine Gegenöffentlichkeit zum offiziösen Mediengeschehen zu schaffen.

In der DDR, die in „Berlin am Kabel“ nicht vorkommt, war die entsprechende Technik allerdings nur in raren, hart erkämpften Ausnahmen – etwa der „Videowerkstatt“ – privat und zu künstlerischen Zwecken verfügbar. Wie dort dennoch die offizielle Filmpolitik unterlaufen werden konnte, zeigen zwei kurze frühe Filme von Thomas Heise, die Freitagabend in Anwesenheit des Regisseurs bei freiem Eintritt in der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße gezeigt werden. So arbeitete Heise in den Achtzigern öfter für die Staatliche Filmdokumentation des DDR-Filmarchivs, die in offiziellem Auftrag und großem Stil den realsozialistischen Alltag für ein eher potenzielles Nachleben dokumentierte. Zur Veröffentlichung bestimmt waren die Filme nicht und unterlagen so auch nicht der Zensur, warum auch, schließlich landeten sie sowieso im Regal.

In diesem Rahmen entstand auch der Film Volkspolizei 1985, den Heise kurz vor Schließung der Filmdokumentation drehte und der den Alltag in einem kleinen, düsteren Polizeirevier in der Brunnenstraße in beängstigender Direktheit einfängt. Imbiß spezial ist als spontaner Ersatz für ein anderes, nicht genehmigtes Projekt entstanden und zeichnet eine Woche vor den offiziellen Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR im Oktober 1989 zwanzig Minuten lang Eindrücke und Gespräche in einer Imbissbude des Bahnhofs Lichtenberg auf: eine faszinierende Bestandsaufnahme Ostberliner Befindlichkeit aus der Zeit unmittelbar vor dem Zusammenbruch des Systems. Und auch ein Film, der zeigt, welche Bedeutung seriös betriebene dokumentarische Arbeit für die lebendige Vergegenwärtigung historischer Prozesse haben kann.

Wer sich zum Vergleich noch einmal die hollywoodesk verzerrte Darstellung von Spitzelwesen und Duckmäusertum ansehen will, hat dazu Sonntagabend im Freiluftkino Mitte bei Florian Henckel von Donnersmarcks Das Leben der Anderen (mit englischen Untertiteln) die Gelegenheit. Kabel gibt es da reichlich.

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