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CITY Lights: Lachen über Stalin

Es ist viel darüber diskutiert worden, ob man als Deutscher über Hitler lachen darf. Das Lachen über Stalin war hierzulande nie ein Streitpunkt.

Es ist viel darüber diskutiert worden, ob man als Deutscher über Hitler lachen darf. Das Lachen über Stalin war hierzulande nie ein Streitpunkt. Zu weit schien dieser Mann von uns weg zu sein; Stalins Terror richtete sich nur gegen das eigene Volk. Aber zu diesem Volk gehörten in den dreißiger Jahren mehrere Tausend Deutsche, die vor Hitler geflohen waren. Von ihnen handelt Leander Haußmanns Komödie „Hotel Lux“, die am 27. Oktober in den Kinos startet. Der erste Film, der sich mit den Säuberungen befasste, war ebenfalls eine Komödie: der Lubitsch-Klassiker Ninotschka mit Greta Garbo (Heute und Freitag im Arsenal). Bei einem Moskau-Besuch 1936 hatte Lubitsch die Schauspielerin Inge von Wangenheim wiedergetroffen, deren mechanische Wiedergabe von Parteiparolen ihn befremdete und inspirierte. Mit Billy Wilder schuf er drei Jahre später die Figur der Kommissarin Ninotschka, die die Liquidierung angeblicher Staatsfeinde gutheißt („Es gibt jetzt weniger, aber bessere Sowjetbürger“), bevor sie in Paris den Verlockungen des dekadenten Westens erliegt.

In Wolfgang Liebeneiners Taiga kümmert sich die Ärztin Hanna Dietrich (Ruth Leuwerik) um deutsche Kriegsgefangene in Sibirien (Sonnabend im Zeughauskino). Der Film von 1958 vermeidet antislawische Propaganda, zugleich weicht er der Schuldfrage aus. Sein eigentliches Thema ist die Gruppentherapie. In ausgedehnten Sitzungen bedient die Ärztin Wunschprojektionen, ist je nach Bedarf Mutter, Ehefrau, Tochter. Vor allem versteht sie es, den Männern die niederen Instinkte auszutreiben.

Eine erstaunlich unkomplizierte Karriere zwischen Ost und West erlebte der tschechische Regisseur Zbynek Brynych. Wie viele seiner Kollegen ging er 1968 in den Westen, kehrte aber schon 1971 zurück und pendelte bis zu seinem Tod 1995 zwischen Prag und München. In einem Münchner Luxus-Hochhaus spielt der Krimi Engel, die ihre Flügel verbrennen (1970), in dem zwei Kinder zu Serienmördern werden. Ihr Motiv: das enthemmte Sexualverhalten der Eltern. (Sonnabend und Sonntag im Zeughauskino) Für das Hochhaus fand Brynych eine ungewöhnliche Metapher: „Ich steche in den Ameisenhaufen hinein, und sofort stürzen die Bewohner an die Oberfläche, angsterfüllt und voller Entsetzen. In dem Moment fängt mein Film an.“ Die Bilder sind ebenso schräg wie die Musik von Peter Thomas, und die Darsteller – darunter Nadja Tiller und Jochen Busse als ihr impotenter Liebhaber – stehen permanent unter Strom.

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