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CITY Lights: Schrecken und Idyll

Kindheitserinnerungen: Mit Gretel in den finsteren Wald gehen, mit dem heimwehkranken Bergmädel Heidi im fernen Frankfurt leiden und sich um Winnetous Tod die Augen ausweinen. Nur Bambi ist mir erstmals in reifem Erwachsenenalter begegnet.

Kindheitserinnerungen: Mit Gretel in den finsteren Wald gehen, mit dem heimwehkranken Bergmädel Heidi im fernen Frankfurt leiden und sich um Winnetous Tod die Augen ausweinen. Nur Bambi ist mir erstmals in reifem Erwachsenenalter begegnet. Zum Glück, denn der allseits für niedlich gehaltene Film um ein verwaistes Hirschkitz ist harter Stoff und spielt mit der unerbittlichen Konsequenz echten Lebensschicksals Urängste vor Mutter- und Heimatverlust durch. Da gibt es nur Verlust, Trauer, Verdrängen und pflichtbewusstes Weiterleben: Die von Siegmund Salzmann alias Felix Salten 1923 verfasste Romanvorlage ist von den Schrecken des Ersten Weltkriegs geprägt, doch in den hyperrealistisch gezeichneten Szenen der Flucht aus einem Waldbrand in dem 1942 fertiggestellten Film klingen auch die Feuerhöllen von Auschwitz und Rotterdam an. Die heiteren Szenen scheinen da oft nur Kontrastfolie. Dabei hat das Leben im Disney-Wald, wo Mäuse und Eulen einträchtig Höhle an Baumhaus wohnen, ein durchaus utopisches Moment. Befremdlicher sind die autoritären Machtverhältnisse im Hause Bambi, wo Vater Hirsch mit sonorer Kommandostimme regiert und von der hohen Klippe aufs Volk hinabblickt. Auch wenn Bambi im Regenbogenkino (bis Sonnabend) im Kinderprogramm läuft, empfiehlt sich der Besuch eher Erwachsenen, die sich an der damals neuen Ästhetik mit HintergrundMalereien von Tyrus Wong und Multiplan-Kamera-Effekten ergötzen: Faszinierende Tiefenwirkung ganz ohne 3-D.

Diskutiert wurden sie oft, zu sehen sind sie nur selten und dann als sogenannte Vorbehaltsfilme immer mit Einführung oder Kommentar: Die Filme von Veit Harlan, dem neben Leni Riefenstahl umstrittensten der gewichtigeren deutschen Regietalente. Diesen Umstand nutzen jetzt die Betreiber der Tilsiter Lichtspiele ganz offensiv, um an zwei Abenden mit vier Harlan-Filmen das Verhältnis von Ideologie und Ästhetik zu diskutieren.Präsentiert werden Der Herrscher und Kolberg (Donnerstag), Opfergang und Jud Süss (Freitag) vom Filmwissenschaftler Manuel Koeppen, Kulturwissenschaftler Carsten Schmieder und den beiden Publizisten Bert Rebhandl und Martin Semlitsch. Anschließend wird an beiden Abenden im Spätprogramm Oskar Roehlers Jud Süß – Film ohne Gewissen gezeigt. Das ist hoffentlich nicht als Exorzismus der vorher geführten Gespräche gemeint.

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