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CITY Lights: Schund und Ehre

Es gibt viele Möglichkeiten, dem Ruf eines Künstlers zu schaden. Im Fall von Wolfgang Staudte ist es die Moralkeule.

Es gibt viele Möglichkeiten, dem Ruf eines Künstlers zu schaden. Im Fall von Wolfgang Staudte ist es die Moralkeule. Sie wird zu seinen Gunsten geschwungen, aber sie geht nach hinten los. Staudte hat während des Kalten Krieges die Wiederbewaffnung und das Fortwirken von NS-Juristen in der Bundesrepublik angeprangert und sich damit Feinde gemacht, die ihn prompt als Nestbeschmutzer bezeichneten. War das nicht vielmehr eine große Ehre?

Gesellschaftskritiker müssen sich Feinde machen, sonst haben sie ihre Wirkung verfehlt. Staudte hatte keinen Mitleidsbonus nötig, er konnte über vier Jahrzehnte auf hohem Niveau arbeiten und hat auch versucht, in beiden Teilen Deutschlands zu wirken. Allerdings war ein Film wie Rotation (1949) nur bei der Defa möglich (Montag in den Eva-Lichtspielen). Der kleine Mann, der nichts von Politik versteht, wird hier nicht als prototypische Figur zelebriert, sondern zum Handeln gezwungen. Staudtes Protagonist ist ein Drucker beim Nazi-Hetzorgan „Völkischer Beobachter“, der wiederholt wegschaut, wenn Nachbarn und Kollegen von der Gestapo abgeholt werden. Der Film macht deutlich, dass es nie zu spät ist, sich zu engagieren, weder für den kleinen Mitläufer noch für seinen Sohn, einen fanatischen Hitlerjungen.

Ein anderer Großer des Kinos, der Kameramann Jack Cardiff („Die roten Schuhe“, „Krieg und Frieden“), hat sich als Regisseur ganz nach unten orientiert und eine Reihe billiger Horrorfilme gedreht; vielleicht brauchte er das zur Abwechslung und Entspannung. Sein Schundstück Das Labor des Grauens (Montag im Babylon Mitte) ist Schauplatz eines bizarren Experiments: Ein Wissenschaftler kreuzt Menschen mit Pflanzen. Dazu verwendet er Studenten und, lieber noch, Studentinnen. Der Film entstand 1974 auf dem Höhepunkt der Sexwelle; seine weibliche Hauptattraktion ist Julie Ege, eine frühere Miss Norway.

Primitive Horror-Movies sind immerhin oft wegen ihrer stilistischen Exzesse sehenswert, aber wie sieht es mit primitiven Action-Komödien aus? Haben zum Beispiel deren Dialogpointen die Zeit gut überstanden? In diesem Genre war Bud Spencer zu Hause, dessen Memoiren kürzlich auf Deutsch erschienen und zum Verkaufsschlager avanciert sind; ihm widmet das Babylon Mitte eine kleine Filmreihe. Vier Fäuste für ein Halleluja (Sonnabend), Sie nannten ihn Mücke (Dienstag) und die Plattfuß-Trilogie gehörten in den siebziger Jahren zu den herausragenden Kassenerfolgen, sie sind somit ein Stück Kulturgeschichte, ob es dem Filmfeinschmecker gefällt oder nicht.

Zu seiner Entstehungszeit vor 80 Jahren galt auch Ein ausgekochter Junge nur als Dutzendware, und das nahezu im Wortsinn. Es war einer von 14 Filmen, mit denen der Komiker Siegfried Arno 1931 sein Publikum beglückt hat (Mittwoch in den Eva-Lichtspielen). Durch den historischen Kontext hat die Verwechslungskomödie an Wert gewonnen. Sie ist ein Beispiel für offen jüdischen Humor: Arno spielt den Modesalon-Angestellten Ignaz Fischbein, der unter Hypnose reichlich verrückte Dinge tut. Der Film bietet die schöne – und seltene – Gelegenheit, diesen jüdischen Spitzenkomiker der Weimarer Republik wiederzusehen.

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