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CITY Lights: Von Boxern und Bierkneipen

Beim legendären Interview im ZDFSportstudio hat er 1969 sechs angeblich despektierliche Fragen stumm ausgesessen. Cool auch ein kamerabegleiteter Stolziergang mit Melone und Zigarre über den Hamburger Jungfernstieg.

Beim legendären Interview im ZDFSportstudio hat er 1969 sechs angeblich despektierliche Fragen stumm ausgesessen. Cool auch ein kamerabegleiteter Stolziergang mit Melone und Zigarre über den Hamburger Jungfernstieg. Norbert Grupe, selbst ernannter Prinz Wilhelm von Homburg, war ein Ekel und Original, Wrestler, Catcher, Boxer und Kleinkrimineller im St.-Pauli-Milieu. Schauspieler auch, bei Hitchcocks „Der zerrissene Vorhang“ (1966) und in „Stirb langsam“ (1988) hat er in Nebenrollen mitgespielt.

2004 ist Grupe gestorben. Fünf Jahre vorher hatte der Dokumentarfilmer Gerd Kroske den altersmilde gewordenen Tausendsassa in seinem kalifornischen Unruhestand besucht. Der Boxprinz (heute im Arsenal) ist Teil der sogenannten Hamburger Trilogie des Regisseurs, die anlässlich einer DVD-Edition (absolut medien) nun noch einmal auf die Leinwand kommt. Es sind drei Porträts unangepasster Multitalente, so zurückhaltend gedreht, wie es ihren exaltiert schillernden Protagonisten gebührt – die Filme über den malenden Zuhälter Wolli Köhler und den Kabarettisten Heino Jaeger sind beide am Freitag zu sehen. Sie faszinieren im Blick aus der Nachwendezeit ins Innenleben der westdeutschen 60er und 70er Jahre, das der 1958 in Dessau geborene Wahlberliner und ehemalige DefaDramaturg mit Sympathie, aber ohne Anbiederungen erforscht. Die nüchterne Außenperspektive auf die hanseatischen Männerwelten tut den Filmen gut.

Ohne atmosphärischen Schock lässt sich von der Reeperbahn in jenes Milieu weiterreisen, das Alfred Döblin Ende der zwanziger Jahre in Berlin Alexanderplatz beschrieb. Die nur zwei Jahre nach dem Buch erschienene Verfilmung von Piel Jutzi mit Heinrich George gehört im Lichtblick-Kino (Sonnabend) zum Repertoire und taugt trotz der hölzernen Inszenierung gut, Neu-Berlinern anschaulich Alt-Berliner Unkultur vorzuführen – von den „Baden in dreieckiger Badehose nicht gestattet“-Schildern am Strand bis zu den als „Sportrestaurants“ getarnten Bierschwemmen. Der Plot allerdings stutzt das Döblin’sche Sittenbild arg zur individuellen Opfergeschichte zurecht. Kurz nach Fertigstellung des Films übrigens ging Jutzi zu den Nazis.

Auch Stanley Kubricks Shining entfernt sich weit von Stephen Kings Romanvorlage. Doch Kubrick und Co-Autorin Diane Johnson kondensieren aus Verschiebungen und Strichen bravourös filmsprachliche Souveränität. Gerade erst hat Rodney Ascher in seiner Dokumentation „Room 237“ Kubricks wohl facettenreichsten Film einer anregenden spielerischen Neubesichtigung im Licht cinephiler Verschwörungstheorien unterzogen. Nächste Woche kommt „Room 237“ regulär ins Kino, ab Sonnabend schon lädt das Lichtblick zur Besichtigung des Originals.

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