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Kultur: Claus im Braus Buchpräsentation im BE:

„Peymann von A – Z“

Am Ende mischen sich im Berliner Ensemble tosender Beifall und frenetische Buhrufe. Claus Peymann lächelt andächtig dazu, der Applaus freut ihn, klar, aber mehr noch schmeichelt ihm der Theatervolkszorn. Waren das Zeiten! Beides kommt vom Band. Der Jubel stammt aus Peymanns Stuttgarter Ära und währte viereinhalb Stunden lang, weswegen er nicht in Originallänge wiedergegeben wird, das Unmutskonzert veranstalteten die Wiener anlässlich der Uraufführung von Thomas Bernhards „Heldenplatz“.

Peymann, das wusste man bereits, ist eine Jukebox, die die tollsten Peymann-Theateranekdoten auflegt. Nun hat sich der Journalist Hans-Dieter Schütt die Mühe gemacht, sie alle aufzuschreiben und in alphabetische Reihenfolge zu bringen. „Peymann von A – Z“ heißt das Kompendium (Verlag Das Neue Berlin, 480 S., 19,90 €), das an diesem GedächtnisAbend von Roger Willemsen und dem Titelhelden selbst vorgestellt wird. „Noch schwerer als Peymann zu lesen, ist es, Peymann zu sein“, scherzt Willemsen zu Beginn, doch nach anderthalb Stunden mit Stichwort-Histörchen, Briefwechseln, Aphorismen, Interviews und Nachtgedanken möchte man in Abwandlung eines Müntefering-Bonmots meinen: Peymann zu sein ist das zweitbeste Amt nach Papst.

Schütts Glossar lässt ein Intendantenleben zwischen Hybris und Humor Revue passieren, es wird all den Peymanns gerecht, die man aus Funk und Ferne kennt: dem Egozentriker, Selbstironiker, Beleidigten, Größenwahnsinnigen, Streithansel und Schrecken der Kommunalpolitik. Natürlich fehlt darin nicht ein Klassiker wie die Stuttgarter Spendenaktion zugunsten von Gudrun Ensslin und selbstverständlich findet sich auf jeder zweiten Seite Thomas Bernhard, als dessen Witwe sich Peymann trefflich bezeichnet. Unterhaltsam ist das Werk besonders dort, wo der Theatermacher von seinen Zuschauern geschmäht wird: „Ihnen gehört die Mistgabel auf den Kopf gearscht, dass die Socken platzen.“

Wie sehr Peymann die Kontroversen zumal seiner Wiener Ära vermisst, das wird bei dieser kabarettistischen Buch-Performance einmal mehr offensichtlich. Nur der Schauspieler Fritz Muliar tut ihm den Gefallen, Klage wegen Beleidigung anzukündigen, ein Zitat passt ihm nicht. Sei’s drum. Peymann schafft es, über die eigene Rolle als roter Großvater des Betriebs zu lachen und trotzdem tapfer Bedeutung zu behaupten, Willemsen hingegen müht sich gen Ende, ihn als ungebrochen leidenschaftlichen Theaterfürsten zu feiern. Schließen wir lieber mit den Worten von Heiner Müller, dem Peymann in herzlichem wechselseitigen Unverständnis zugetan war: „Alle verlassen das brennende Haus. Bis auf Claus. Der guckt raus.“ Patrick Wildermann

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