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Clubs aktuell: Der Kampf um das Berliner Icon

Ein britisches Magazin kürte das "Berghain" zum besten Club der Welt. Die Clubszene Berlins, das Nachtleben zählt mittlerweile als wichtiger Wirtschaftsfaktor und dennoch oder gerade darum häufen sich die Lärmbeschwerden der Anwohner.

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und im Moment sieht es so aus, als ob das Schlimmste vielleicht doch noch verhindert werden könnte. Einen Monat ist es her, da verschickten Lars Döring und Pamela Schobeß eine Rundmail, die von der Aufmachung ein wenig an eine Traueranzeige erinnerte, und der Anlass für das Schreiben war dann auch kein erfreulicher: „Am 01.01.2011 ist Schluss!“ Was die Betreiber des Icons in der Cantianstraße in Prenzlauer Berg mit wenigen nüchternen Worten verkündeten, sorgte für Entsetzen in der Berliner Clubszene, denn seit 14 Jahren ist das Icon eine Institution im Berliner Nachtleben.

Was war geschehen? Ein Anwohner eines neu errichteten Wohnhauses neben dem Icon hatte sich beim zuständigen Stadtentwicklungsamt Pankow beschwert. Über den Lärm, über die vielen Menschen nachts vor dem Eingang. Das Ergebnis: Am Jahresende soll Lars Döring und Pamela Schobeß die Konzession entzogen werden. Die beiden fühlen sich hintergangen. Oft genug werbe der Senat mit dem Verweis auf die Clubszene für die Stadt, das Nachtleben sei mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. „Uns bringt das leider gar nichts“, so ihr Fazit.

Ernüchterung und Euphorie – zwischen diesen zwei Polen schwanken die Protagonisten der Clubszene derzeit. Neue Läden eröffnen ebenso regelmäßig, wie alte schließen. Erst am Wochenende bezogen die Betreiber des 305 die Räume des ehemaligen WMF an der Klosterstraße in Mitte. Der ständige Wandel macht Berlin gerade bei jungen Menschen beliebt, vor allem im Ausland. Die Stadt gilt als internationale Hochburg der elektronischen Musik, ein britisches Magazin kürte das Berghain im vergangenen Jahr zum besten Club der Welt. In dem stillgelegten Heizkraftwerk am Wriezener Bahnhof in Friedrichshain feiern Woche für Woche Nachtschwärmer aus ganz Europa, der Journalist und Buchautor Tobias Rapp gab ihnen den Namen Easyjetset. Nur: Partymacher, die keine Industrieruinen im Niemandsland betreiben, sondern sich mit ihren Läden in belebten Kiezen befinden, haben es schwer. So wie dem Icon geht es derzeit einigen Clubs. Die Beschwerden genervter, zumeist neu zugezogener Anwohner häufen sich ebenso wie die daraus resultierenden Konflikte.

Das SO36 hat eine solche Auseinandersetzung gerade erst beenden können. Zwischenzeitlich drohte dem Club das Aus, 30 Jahre nach seiner Gründung. Der Vermieter der Räume an der Oranienstraße in Kreuzberg hatte eine Kündigung erwogen, weil ein Nachbar im vergangenen Jahr mit einer Klage wegen Ruhestörung gedroht und das Ordnungsamt Maßnahmen zur Lärmreduzierung gefordert hatte. Die Auflage: eine Schallschutzwand, die knapp 90 000 Euro kostet. Diese Summe konnten die Betreiber nicht aufbringen. Erst Spenden und Soli-Konzerte spülten Geld in die Kasse, sogar die Toten Hosen spielten zur Rettung der Konzerthalle, in der sie zu Beginn ihrer Karriere auf der Bühne standen. Zudem brachte die Ernennung zum „Club des Jahres“ bei den Live Entertainment Awards im April 20 000 Euro Preisgeld. Der Rest kam aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.

SO 36 baut eine Schallschutzmauer.
SO 36 baut eine Schallschutzmauer.

© ddp

Am Tag des Mauerbaus, am 13. August, wurde schließlich der Grundstein für die Schallschutzwand gelegt. Der Großteil des „akustischen Schutzwalls“, wie die Betreiber die Anti-Lärm-Mauer nennen, steht mittlerweile. Hochgezogen wurde die Wand an der Innenseite, dadurch ist dem SO36 Fläche verloren gegangen. „Jeder Meter tut weh“, sagt eine Sprecherin des Clubs. Und doch ist das Team froh, dass der Ärger nun vorbei ist. Künftig will man sich ausschließlich mit inhaltlicher Arbeit beschäftigen.

Eine für alle Seiten befriedigende Lösung des Konflikts ist beim Knaack bislang nicht in Sicht. Seit 58 Jahren ist der Club an der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg beheimatet. Doch seit an der Rückseite des Gebäudes ein Wohnhaus errichtet und bezogen wurde, gibt es Streit mit den Nachbarn. Der Bezirk zwang daraufhin die Betreiber, die Lautstärke zu verringern. Nach 22 Uhr darf die akustische Belästigung in den angrenzenden Wohnungen nicht mehr als 25 Dezibel betragen – das entspricht Zimmerlautstärke. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts zugunsten des Clubs wurde in zweiter Instanz revidiert. „Wir konzentrieren uns im Moment darauf, den Clubbetrieb mit den uns verbliebenen Mitteln weiterzuführen“, sagt Betreiber Matthias Harnoß. Gleichzeitig erwäge man einen Umzug und halte Ausschau nach geeigneten Objekten.

Lars Döring und Pamela Schobeß vom Icon wollen derzeit noch nicht an einen Standortwechsel denken. In anderthalb Wochen tagt die Bezirksverordnetenversammlung Pankow, der Club steht auf der Tagesordnung. Alle Fraktionen hätten Unterstützung beim Kampf um den Erhalt signalisiert, sagen Schobeß und Döring. Baustadtrat Michail Nelken (Linke) hatte bereits in einer vorherigen Sitzung betont, dass der „Betrieb des Clubs auf rechtlich sichere Füße“ gestellt werden soll.

Nun muss nur noch das Bezirksamt von dieser Notwendigkeit überzeugt werden. Auf ihrer Internetseite bitten die Club-Betreiber daher um Unterstützung: Sie rufen Grafikdesigner und Künstler dazu auf, Plakate zur Rettung ihres Ladens zu entwerfen. Entwürfe können noch bis zum 10. September per Mail eingereicht werden. Über die besten Ideen soll im Internet abgestimmt werden. Die drei Motive mit den meisten Stimmen werden dann gedruckt und in der Stadt plakatiert. Vielleicht helfen sie, die Mitarbeiter des zuständigen Stadtentwicklungsamts umzustimmen. Von Nana Heymann

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