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Dreideimensional: Eine Doppelseite aus Sam Itas „20.000 Meilen unter dem Meer“.

© Knesebeck

3-D-Comics: Ganz große Klappe

Pop-up-Bücher erleben eine Renaissance – auch im Comic.

Gierig strecken sich lange Tentakel dem Betrachter entgegen, zwei dunkle Krakenaugen starren ihn an, im Hintergrund fällt in der aufgepeitschten See ein Dreimaster brennend in sich zusammen, ein Matrose stürzt in den Tod. All dies passiert scheinbar gleichzeitig auf einer Doppelseite in der Comicumsetzung von Jules Vernes’ Abenteuergeschichte „20.000 Meilen unter dem Meer“, und der Leser darf sich dem Geschehen so nah fühlen wie bei wohl keiner anderen Version des Klassikers. Die Nacherzählung des Dramas um Kapitän Nemo und seine unfreiwilligen Weggefährten, die der New Yorker Comiczeichner und Papieringenieur Sam Ita geschaffen hat, ist ein Pop-up-Buch. Das dreidimensionale, aufklappbare Werk, das wie bislang zwei weitere Bücher Itas auf Deutsch bei Knesebeck erschienen ist, steht für die Renaissance einer besonderen Form der Buchkunst, die jetzt auch auf dem deutschen Comicmarkt angekommen ist.

Pop-up-Bücher, bei denen durch das Aufschlagen von Seiten Elemente dreidimensional herausspringen oder durch Laschen und Pappräder bewegt werden, gibt es bereits seit rund 150 Jahren. Auch im Comic gab es immer wieder aufklappbare Versionen von Genre-Klassikern wie Spider-Man, X-Men, Star Wars oder Will Eisners „The Spirit“. Sam Ita aber, 1978 geboren und als Grafikdesigner ausgebildet, bringt diese Mischung aus Comic, Bilderbuch und Spielzeug auf eine neue künstlerische und spielerische Ebene: So ausgefeilt, komplex und durchdacht wie seine Werke waren zuvor nur wenige andere Stehauf-Comics. Bislang sind neben seiner besonders gelungenen Jules-Vernes-Umsetzung auch „Moby Dick“ und zuletzt „Frankenstein“ – der bislang schwächste Band der Reihe – als Pop-up-Comics erschienen.

Inhaltlich und sprachlich richten sich alle drei Bücher eher an jüngere Leser, wenngleich sich auch Erwachsene an den liebevollen Effekten erfreuen können, durch die Schlüsselszenen der Erzählung plastisch hervorgehoben werden. Natürlich kann ein aus sechs ausfaltbaren Panorama-Szenen samt eingestreuten – und manchmal etwas sehr schlicht gezeichneten - Comic-Panels bestehendes Büchlein den Klassikern von Hermann Melville, Jules Verne oder Mary Shelley nicht in vollem Umfang gerecht werden. Aber Ita setzt klug gewählte Effekte unterhaltsam ein und hat Schlüsselszenen so visualisiert, dass auch jugendliche Leser zumindest ein Gefühl für die Stimmung des Originals bekommen.

Welch hohe Kunst hinter diesen schönen Spielereien steckt, vermittelt anschaulich das ebenfalls als aufklappbares Werk gestaltete „Pop-up-Handbuch“ von Jacoby und Stuart, einem weiteren Verlag, der derzeit zur Renaissance der dreidimensionalen Buchkunst beiträgt. Wenn man hier anhand vieler praktischer Beispiele Schritt für Schritt nachempfindet, wie Künstler wie Sam Ita mit Hilfe von aufwändigen Zuglaschen, Drehscheiben, Winkelfalten oder Drehzapfen ihre Werke schaffen, beeindruckt die scheinbare Leichtigkeit des Ergebnisses um so mehr.

Sam Ita: Moby Dick, 20.000 Meilen unter dem Meer und Frankenstein, Knesebeck-Verlag, jeweils 12-16 Seiten, je 29,95 Euro. David A. Carter/James Diaz: Das Pop-up-Buch, Jacoby und Stuart, 20 Seiten, 34,95 Euro. Zur Website von Sam Ita geht es hier: www.samita.us

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