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Super, Paul! So sieht das Comic-Alter-Ego von Paul J. Crutzen aus.

© Illustration: Martyna Zalalyte/Anthropozän-Projekt

„Anthropozän – auf dem Weg in ein neues Erdzeitalter“: Zeichen der Zeit

Zwischen Höhlenmalerei und Weltraumforschung: Naturwissenschaft ist im Comic immer wieder Thema. Jetzt haben Berliner Studierende das „Anthropozän“ gezeichnet, es gibt ein Buch und eine Ausstellung.

BÄM! Mit einem kräftigen Beintritt befördert der niederländische Meteorologe Paul J. Crutzen seinen schlimmsten Gegner, das FCKW, ins Jenseits und rettet so die Ozonschicht. Was hier im Comic der Zeichnerin Martyna Zalalyte als Fiktion erscheint, beruht auf einer wahren Erkenntnis. Ohne Crutzens Forschungen Ende der 1980er Jahre wäre eine der Hauptursachen des Ozonlochs wohl nicht rechtzeitig entdeckt worden.

„Super Paul“ bildet das Finale der Comic-Anthologie „Anthropozän – 30 Meilensteine auf dem Weg in ein neues Erdzeitalter“. Crutzen war es, der am Beginn des 21. Jahrhunderts zusammen mit Eugene F. Stoermer den Begriff Anthropozän ins Spiel brachte, um den maßgeblichen Einfluss der Menschheit auf die geologischen, biologischen und atmosphärischen Veränderungen der Erde zu beschreiben. Die Anthologie greift diesen Gedanken auf und reist weit zurück in die Vergangenheit unserer Zivilisation. Von den Höhlenmalereien von Altamira wird ein Bogen zu Erfindungen wie der Dampfmaschine, dem Telefon oder dem Rastertunnelmikroskop gespannt. Ein anderer Schwerpunkt liegt auf wissenschaftlichen Entdeckungen wie den Röntgenstrahlen oder der Kernspaltung.

Die Ausstellung läuft bis Januar 2016 im Deutschen Museum München

Die Comics dazu stammen von Studierenden aus der Klasse von Henning Wagenbreth, der seit 1994 als Professor für Illustration und Grafikdesign an der UdK Berlin lehrt. Von ihm stammt das Cover, das in kräftigen Farben klarmacht, dass hier ein anderes und neues Wissenschaftsverständnis ins Bild gesetzt werden soll. Ein mächtiger Roboter walzt über die Erde, reißt Bäume aus dem Boden und bohrt seine Klauen in einen Wolkenkratzer. Der Himmel eine dunkle, klebrige Masse. Eine starke apokalyptische Vision, die sich nicht unbedingt mit den Comicgeschichten im Inneren der Anthologie deckt, die zum Teil einen sachlicheren Ton anschlagen.

Mensch, Maschine: Das Buchcover.
Mensch, Maschine: Das Buchcover.

© Deutsches Museum

Nach einem einheitlichen Prinzip finden sich links zu jedem Thema kurze historische Erläuterungen, während rechts auf einer Comicseite dessen individuelle Interpretation erfolgt. Ein gelungenes Experiment, dessen Charme im Blick auf das Nebensächliche, oft allzu Menschliche begründet ist. Nicht die perfekte Zeichnung, die eloquente Zusammenfassung, kennzeichnen die 30 Comics. Vielmehr das Momentane und Selektive, die Geschichten selbst werden zu Durchgangsstationen in ein neues Zeitalter. So vermittelt sich die Macht des Anthropozän hier vor allem visuell.

Inhaltlich betreut wurde das Projekt von den Wissenschaftlern Reinhold Leinfelder und Helmuth Trischler. Neben Henning Wagenbreth hat Alexandra Hamann mit ihrer künstlerischen Expertise beratend zur Seite gestanden. Die Comics sind zudem Teil der Ausstellung „Willkommen im Anthropozän – Unsere Verantwortung für die Zukunft der Erde“, die bis zum 31. Januar im Deutschen Museum München zu sehen ist.

Röntgenstrahlen bei „The Yellow Kid“

Der Versuch, komplexe wissenschaftliche Vorgänge in Form von Comics zu vermitteln, ist nicht neu und doch hoch aktuell. Leinfelder und Hamann haben bereits für den Klima-Comic „Die große Transformation“ zusammengearbeitet, der 2013 vom Berliner Verlag Jacoby & Stuart publiziert wurde. Erwähnt seien zudem der Helmholtz-Wissenschaftscomic „Klar Soweit?“, der seit gut einem Jahr monatlich online erscheint, sowie das Comic-Mammutprojekt des Berliner Zeichners Jens Harder über die Evolution.

Vor allem in den USA gibt es eine lange Tradition von sogenannten Science Comics. Dabei produzieren die Fakten ihre eigene Fiktion. In der Episode „The War Scare In Hogan’s Alley“ aus dem Comicstrip „The Yellow Kid“ von 1896 sind es die Röntgenstrahlen, die kurz nach ihrer Entdeckung dem Gegner England als politisches Instrument zur Diagnostik empfohlen werden. Und vielleicht ist es kein Zufall, dass die Macher des Anthropozän-Comics mit den Höhlenmalereien von Altamira beginnen. Anfang der 1940er Jahre hatte der US-Verleger M. C. Gaines die Ursprünge des Comics bis zu den ersten Höhlenmalereien zurückverfolgt und damit wichtige Ideen zum Verständnis dieser Kunstform geliefert.

A. Hamann, R. Leinfelder, H. Trischler, H. Wagenbreth (Hrsg.): Anthropozän – 30 Meilensteine auf dem Weg in ein neues Erdzeitalter, Deutsches Museum, 82 Seiten, 14,95 Euro. Online können die Comics hier gelesen werden: www.deutsches-museum.de/ausstellungen/sonderausstellungen/2014/anthropozaen/comics/

Jens Meinrenken

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