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Venus trifft Mars: Eine Seite aus dem besprochenen Buch.

© Reprodukt

Bastien Vivès: Die Liebe: Der Geschmack von Selbstmitleid

In seinem aktuellen Buch „Die Liebe“ rechnet der französische Comic-Star Bastien Vivès mit dem anderen Geschlecht ab – selbstgerecht, zornig und größtenteils ganz unterhaltsam.

Der aus der Ferne bewundernde Blick auf die Frauen, den man aus Bastien Vivès' früheren Comics kennt, ist in diesem Band gänzlich verschwunden. Von der Liebe zeigen diese Ausschnitte aus dem Beziehungsalltag nur das, was nervt. Keine unerreichbaren Inkarnationen der Anmut - statt dessen Erwartungs-Enttäuschungs-Kombinationen der destruktivsten Sorte. In diesem Zeugnis der Frustration legt Vivès alle Illusionen über das Titelgefühl mit selbstgerechtem Zorn in Trümmer. Folgerichtig ergeht die Widmung an „die ganzen Frauen, die mich kaputt gemacht und mit meiner Verzweiflung alleingelassen haben, um ein armseliges und belangloses Leben zu führen, das ich mir heute auf ihrem Facebook-Profil ansehen kann“.

Das gibt die Stoßrichtung des Comics schon ganz gut vor. Man merkt dem Band die Ursprünge im Blog an: Wo Alben wie „Polina“, „In meinen Augen“ oder „Der Geschmack von Chlor“ sich einem weiblichen Gegenüber langsam annähern, sich ihre Körperlichkeit sorgsam und präzise erarbeiten, sind diese Episoden flüchtig hingeworfen, schnell erzählt und nicht immer abgeschlossen.

Neckische Bettgespräch über Pädophilie und KZ-Insassen

Der leichte Strich passt dazu gut und zeigt mit seinem präzisen Ausdruck nebenher wieder Vivès' unglaubliches Talent, mit einfachsten Mitteln das Wesentliche zu erfassen. Hier aber ordnet sich das Bild - häufig einfach die Wiederholung ein und derselben Totale über die ganze Geschichte hinweg - den Dialogen völlig unter. Die allerdings sind bemerkenswert: Vivès' Paare werfen alle Diplomatie über Bord, baden in Selbstmitleid und stoßen munter alles vor den Kopf, was ihnen in die Quere kommt.

Das nimmt auch gerne mal die Kurve ins Befremdliche: wenn das neckische Bettgespräch über sexuelle Fantasien auf einmal bei Pädophilie, HIV-positiven Prostituierten und KZ-Insassen landet; wenn der fast 30jährige Mann seiner gleichaltrigen Freundin den Wunsch nach Geschlechtsverkehr aus Altersgründen rundheraus abschlägt („Sei doch mal realistisch, in unserem Zustand!“), oder in dem schönen Wortwechsel „Warum muss alles immer so schwer sein?“ – „Das geht vorüber, Schatz. Das ist nur das Internet.“

„Die Liebe“ ist keines dieser Comic-Kunstwerke, deren einzelne Panels man stundenlang betrachtet, und es sind auch nicht alle Episoden gleichermaßen gelungen. Eher ein Band, der sich gut wegkonsumiert, dabei doch ein paar empfindliche Stellen touchiert, und jedenfalls für eine ganze Reihe lauter Lacher gut ist.

Bastien Vivès: Die Liebe, Reprodukt, aus dem Französischen von Mireille Onon,  Handlettering von Dirk Rehm192 Seiten, 12 Euro, Leseprobe hier.

Empfindliche Stellen: Das Buchcover.
Empfindliche Stellen: Das Buchcover.

© Reprodukt

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