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Fantasy-Action-Erlebnis: Eine Doppelseite aus Band 1 von „Black Rock Shooter: Innocent Soul“.

© EMA huke / Sanami SUZUKI 2011

„Black Rock Shooter“: Retterin verlorener Seelen

Charakter-Design, Musik, Video, Anime, Computerspiele und jetzt auch Manga-Bücher: Das in Japan enorm populäre Medienphänomen „Black Rock Shooter“ erobert Deutschland.

Expressionistische Farbgebung, verzerrte Perspektiven, eine außergewöhnliche Heldin in einer abstrakt-futuristischen Welt: Die Zeichnerin Sanami Suzuki schickt sich an, die Bücherregale der deutschen Scifi-Fantasy-Fans mit philosophisch angehauchter Battle-Action zu erobern. Ihr Manga „Black Rock Shooter“, dessen dritter und letzter Band jetzt auf Deutsch erschienen ist, ist aber nur die Spitze eines riesigen Franchise-Eisbergs.

Ein Charakter-Artwork des japanischen Illustrators huke, das dieser Ende 2007 auf seinem Blog gepostet hatte, war der Ausgangspunkt für ein Medienphänomen, das inzwischen auch Deutschland erreicht hat. Das Bild zeigte eine junge, knapp bekleidete Frau mit einer beeindruckenden Waffe und einer kleinen blauen Flamme, die in ihrem linken Auge lodert.

Der düstere Scifi-Gothic-Look inspirierte wiederum im Jahr 2008 den Kopf der J-Pop-Gruppe supercell, Musiker und Songwriter Ryo, zu dem Song „Black Rock Shooter“, den er mithilfe der Videoplattform Nico Nico Douga verbreitete. Für das erfolgreiche, rund fünfminütige Video verwendete er in Zusammenarbeit mit huke das einprägsame Charakterdesign. Die Band, der ihr Major-Debüt damals noch bevorstand und der zahlreiche Künstler und Designer angehören, nutzte außerdem den auf der Software Vocaloid aufbauenden populären Gesangssynthesizer Hatsune Miku als künstliche Gesangsstimme. Eine Kombination, die dem Independent-Musikvideo immensen Erfolg bescherte.

Der Hype gipfelte schließlich 2009 in einer 50-minütigen Anime-Umsetzung von Studio Ordet, die in Japan kostenlos im Internet gestreamt wurde. Gleichzeitig sprang der Figurenhersteller Good Smile Company auf den Zug auf und brachte Ende des Jahres die ersten PVC-Statuetten der melancholischen Heldin und ihrer Gegenspielerin auf den Markt, die sich umgehend zum Verkaufsschlager entwickelten. Das Medienfranchise umfasst inzwischen neben einer Anime-TV-Serie, die hierzulande via Nipponart auf Deutsch erhältlich ist, ein PSP-Game, das seit 2013 von NIS America in englischer Sprache als Download im deutschen PSN-Store angeboten wird, sowie drei Manga-Umsetzungen. Der Clou des Medienuniversums: Nahezu jedes Werk widmet sich einer eigenen Story rund um die charismatische, grüblerische Hauptfigur.

Expressionistischer Farbdunst und wilde Düsternis: Eine Doppelseite aus dem ersten Band der Trilogie.
Expressionistischer Farbdunst und wilde Düsternis: Eine Doppelseite aus dem ersten Band der Trilogie.

© EMA huke / Sanami SUZUKI 2011

Manga-Reihe für ein erwachsenes Publikum

Der deutsche Verlag EMA veröffentlichte von Oktober 2014 bis Februar 2015 hierzulande die in drei Bänden abgeschlossene Serie „Black Rock Shooter: Innocent Soul“ der Zeichnerin Sanami Suzuki basierend auf hukes Originalkonzept. Die Manga-Reihe richtet sich trotz der kindlichen Optik der Figuren an ein erwachsenes Publikum. So erschien sie in Japan im Verlag Kadokawa Shoten zunächst in Kapiteln im auf die entsprechende Zielgruppe ausgerichteten Magazin „Young Ace“.

Die Story ist in der Zwischenwelt Hazama angesiedelt. Das Auffangbecken für gepeinigte Seelen wird überwacht von den Black Stars, einer Art Polizei in Gestalt junger Mädchen, bar jedweder Gefühlsregung. Rock ist eine von ihnen und patrouilliert gemeinsam mit Ron, einer schlangenähnlichen, vernunftbegabten Kreatur, die sich nach Bedarf in Schwerter oder Schießeisen verwandeln kann, durch die unwirkliche Sphäre. Sie sind stets auf der Suche nach einer der unzähligen stagnierten, in ihrem Wahn gefangenen Seelen. Diese erschaffen in Hazama wahnwitzige Illusionen, in die sie andere unschuldige Seelen mit hineinziehen.

Die Black Stars haben die Aufgabe die Fantasiegebilde zu durchschauen sowie die gestrandeten Seelen zu läutern und zu retten. Bei einer dieser Reinigungsaktionen läuft Rock die absonderliche Black Star Dead über den Weg, die ganz eigene Ziele zu verfolgen scheint. Die schicksalhafte Begegnung ist aber nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Denn Rock ist längst kein gefühlloses Werkzeug mehr. Sie entwickelt Empathie und zeigt Emotionen. Schritt für Schritt gerät ihre geordnete Welt aus dem Gleichgewicht.

Die packende Geschichte wird zunächst episodenhaft erzählt und widmet sich einzelnen Seelen. Die Rahmenhandlung versteckt sich einige Kapitel gar hinter den düsteren Einzelschicksalen, die von alltäglichen Problemen wie Mobbing aber auch extremen menschlichen Abgründen wie der Brutalität eines Serienmörders künden. Nach und nach rücken Rock, ihre Entwicklung und die Black Stars in den Mittelpunkt der Erzählung.

In Kürze folgt „Black Rock Shooter - The Game“

Die kryptischen Andeutungen, der episch-nebulöse Erzählstil sowie die vorherrschende, allumfassende Melancholie sind ein Markenzeichen des Franchise und stellen Neueinsteiger im „Black Rock Shooter“-Universum vor eine Herausforderung. Zeichnerin Sanami Suzuki bemüht sich jedoch darum, mit einem geradlinigen Panelaufbau den Lesefluss zu unterstützen. Verschiedene Schriften für die Hauptprotagonisten Ron und Rock erleichtern die Lektüre zusätzlich. Bei ihren detailreichen Zeichnungen setzt die Künstlerin auf starke Schwarz-Weiß-Kontraste.

Die Manga-ka, die bislang vorrangig Titel für ein erwachsenes Publikum geschaffen hat, inszeniert die Figuren mit spektakulären, verzerrten Körperhaltungen und bringt die starken Gefühle der Protagonisten, die in der Geschichte treffend als „Antriebskraft der Seele“ bezeichnet werden, in geradezu hypnotischen Arrangements zum Ausdruck. Besonders in den rasanten Kämpfen geht da dem ungeübten Manga-Leser schon mal der Überblick verloren. In Farbgebung und Bildsprache bleibt die Künstlerin hukes Originaldesign jedoch stets treu, das mit expressionistischem Farbdunst und wilder Düsternis aufwartet. 

Schwarz wie Ebenholz, Blau wie das Meer, bewaffnet wie ein Terminator: Die Cover des ersten und des dritten Bandes.
Schwarz wie Ebenholz, Blau wie das Meer, bewaffnet wie ein Terminator: Die Cover des ersten und des dritten Bandes.

© Egmont Manga

Die drei Bände zu „Black Rock Shooter: Innocent Soul“ sind hierzulande inklusive der Farbseiten in japanischer Leserichtung erschienen. Ab und an stolpert der Leser zwar über Flüchtigkeitsfehler wie eine einmalige falsche Namensschreibweise, insgesamt erweist sich die Veröffentlichung aber als sehr solide. Im Juli 2015 wird EMA die Manga-Reihe „Black Rock Shooter - The Game“ folgen lassen, die auf dem für PSP erschienenen Konsolenspiel basiert. Routinierten Manga-Lesern bietet „Black Rock Shooter: Innocent Soul“ bis dahin ein erfrischend unverbraucht wirkendes Fantasy-Action-Erlebnis, das mit seiner außergewöhnlichen Bildsprache sicher auch den einen oder anderen Liebhaber von Comics westlicher Stilrichtungen in seinen Bann ziehen kann.       

Huke/Sanami Suzuki: Black Rock Shooter: Innocent Soul, EMA, je Band 196/194 Seiten, je 7,50 Euro, insgesamt 3 Bände

Sabine Scholz

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