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Glückssucher: Eine Traumsequenz aus dem besprochenen Album.

© Carlsen

Comic-Album: Es war einmal in Amerika

Die belgische Comic-Größe Jijé ballert besoffen auf die Boches? Und Franquins „Gaston“ ist Mexikaner? Olivier Schwartz und Yann erzählen in „Gringos Locos“ ihre Version einer legendären Amerika-Reise.

In „Gringos Locos“ zeichnet Olivier Schwartz nach einem Szenario von Yann die Amerika-Reise der belgischen Comic-Künstler Jijé, Franquin und Morris nach. Jene drei Schwergewichte des europäischen Comics brachen im Jahre 1948 in der Hoffnung auf, ein Engagement in den kalifornischen Walt-Disney-Studios zu bekommen. Von Rotterdam aus setzten sie nach New York über, um von dort aus mit einem altgedienten Ford Hudson einen Road Trip quer durch die Vereinigten Staaten bis nach Los Angeles hinzulegen – zu acht, Jijé hatte seine Frau und seine vier Kinder dabei.

In Los Angeles angekommen, werden die Auswanderer schnell von der Ernüchterung eingeholt: die Zeit ihrer Ankunft ist äußerst ungünstig gewählt – Disney musste sich eben erst von einem Drittel seiner Angestellten trennen. Überhaupt ist inzwischen nicht mehr Los Angeles, sondern vielmehr New York das Mekka für Comics – jener Ort also, den sie zu Beginn ihrer Reise hinter sich gelassen haben, nur um dort anzukommen, wo es keinen Platz für sie gibt. Enttäuscht von der Situation, aber dennoch frohen Mutes, beschließen sie, ihr Glück zunächst in Mexiko zu suchen.

Bis hierhin führt einen der erste Band der zweibändigen Reihe „Gringos Locos“. Yann, der Szenarist der Reihe, hat das Storyboard nach gründlichen Recherchen geschaffen, für die er auch Franquin als Interviewpartner gewinnen konnte. Die Story, die er daraus gewoben hat, wurde von Olivier Schwartz im klassischen Albumformat umgesetzt – im Funny-Stil, unter Einbezug einer kräftig-bunten Farbpalette.

Umrahmt von einer Geschichte voll witziger Momente erzählt „Gringos Locos“ allerlei Kurioses von den Marsupilami-, Lucky-Luke- und Jerry-Spring-Urhebern. So erfährt man, dass Morris bereits damals plante, seine Figur des „singenden Cowboys“ aufzugeben, und dass Franquin ähnliche Pläne mit „Spirou“ hatte. Und dass die Idee zu der Comic-Figur „Gaston“ in Mexiko geboren wurde.

In ihrem Heimatland ist die Reise der drei Zeichner ebenso legendär wie diese selbst. Die Comic-Umsetzung der Legende endete jedoch im Disput: Einige Nachfahren der Künstler zeigten sich empört. Nicht nur würden sie in den Figuren der zweibändigen Reihe, die zuerst in dem Magazin „Le Journal de Spirou“ erschien, ihre Verwandten nicht wiedererkennen – sie sähen sie darüber hinaus in ein schlechtes Licht gerückt.

Legendäres Trio: Jijé, Franquin und Morris bei der Arbeit in der Wüste.
Legendäres Trio: Jijé, Franquin und Morris bei der Arbeit in der Wüste.

© Carlsen

Yann und Schwartz zitieren als Vorwort des Bandes aus John Fords „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“: „Wenn die Legende zur Tatsache geworden ist, dann druck die Legende.“ Vielleicht kann man dies sogar als Läuterung verstehen. Wie dem auch sei – hierzulande dürfte „Gringos Locos“ nicht so viel Aufsehen erregen. Denn abgesehen davon, dass die Herren Jijé, Morris und Franquin in Deutschland bei weitem nicht die Prominenz genießen, die sie in ihrer Heimat erfahren, fehlt der Auswanderer-Spätwestern-Klamotte die nötige Substanz, um längerfristigen Ruhm zu erlangen. Das Album ist zwar witzig und kurzweilig, und auch die Figuren sind mit genug Potential ausgestattet, um noch den nächsten Band tragen zu können. Aber epochemachend – wie eben seine Protagonisten – ist „Gringos Locos“ nicht. Das kann man bereits nach dem ersten Band sagen.

Olivier Schwartz / Yann: Gringos Locos Band 1, aus dem Französischen von Marcel Le Comte, Carlsen, 64 Seiten, 12 Euro.

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