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Nachschub gesucht? Unsere Jury und unsere Leser hätten da ein paar Tipps.

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Comic-Bestenliste: Die besten Comics 2014 - Lars von Törnes Favoriten

Welches sind die besten Comics des zu Ende gehenden Jahres? Das wollen wir von unseren Lesern und von Comic-Kritikern wissen. Heute: Tagesspiegel-Redakteur Lars von Törne

Angesichts des bevorstehenden Jahresendes haben wir unsere Leserinnen und Leser gefragt, welches für sie die besten Comics der vergangenen zwölf Monate waren. Parallel dazu ist wie bereits in den vergangenen Jahren wieder eine Fachjury gefragt worden. Sie besteht aus Anne Delseit (AnimaniA, Comix), Lutz Göllner (zitty), Volker Hamann (Reddition), Matthias Hofmann (Alfonz), Martin Jurgeit (Comix, Buchreport), Stefan Pannor (Blogger, Spiegel Online), Frauke Pfeiffer (Comicgate), Andreas Platthaus (FAZ) und Lars von Törne (Tagesspiegel).

Jedes Jurymitglied war aufgefordert, unter den im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienen Titeln seine fünf Favoriten zu nennen, mit Punkten von eins bis fünf zu bewerten und die Auswahl kurz zu begründen. Daraus ergibt sich eine Shortlist, auf der jeder Titel mit fünf und mehr Punkten landete und über die die Jury jetzt abgestimmt hat - hier das Ergebnis.

Hier dokumentieren wir die Favoriten von Tagesspiegel-Redakteur Lars von Törne:

Platz 5:
Little Nemo Gesamtausgabe
Taschen
Die auch aus heutiger Sicht atemberaubend fantasievollen und visuell überbordenden Strips sind zwar schon um die 100 Jahre alt. Aber dank dieser wunderschön gedruckten Gesamtausgabe kann man sie jetzt neu und erstmals komplett entdecken. Dabei hilft auch der fundierte Begleittext von Herausgeber Alexander Braun, der zwar auch nicht mehr ganz neu ist, aber trotzdem sehr gut in das McCays Werk einführt. Und bei dieser Seitengröße, die beinahe ans Original-Zeitungsformat heranreicht, entdecke ich auch bei mir wohlbekannten Episoden viele zauberhafte und bislang übersehene Details, die die Traumreiseabenteuer des kleinen Nemo so einzigartig machen. Das perfekte Buch, um episodenweise dem Alltag zu entfliehen – und sich in Erinnerung zu rufen, welche Bedeutung Zeitungscomics einst hatten und in einer idealen Welt immer noch haben sollten (nicht wahr, liebes FAZ-Feuilleton?).

Lars von Törne.
Lars von Törne.

© Kai-Uwe Heinrich

Platz 4:
Ville Tietäväinen: Unsichtbare Hände
Avant
Eine starke Comicerzählung – auch wegen ihres Themas, das derzeit mal wieder besonders relevant ist. Ville Tietäväinens Schilderung der qualvollen Odyssee eines nordafrikanischen Flüchtlings in die Europäische Union steht für mich stellvertretend für die Schicksale ungezählter Menschen, die in diesen Tagen bei uns landen oder auf dem Weg in die EU sterben. Die fiktive, aber auf Fakten beruhende Geschichte des marokkanischen Familienvaters Rashid ist geprägt von weitgehend realistisch gezeichneten Bilderstrecken, die durch die Verbindung von Aquarell, Ölpastell und Computernachbearbeitung einen ganz eigenen, düsteren Look haben. Das passt zu der dramatischen Handlung, die den Überlebenskampf der Flüchtlinge ausführlich ergründet. Eine schmerzhafte Lektüre, aber das richtige Buch zur traurigen Zeit.

Platz 3:
Alison Bechdel: Wer ist hier die Mutter
Kiepenheuer & Witsch
Okay, es kein zweites „Fun Home“. Aber es ist nah dran. Bei der Aufarbeitung ihrer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung beeindruckt Bechdel erneut durch erzählerische Komplexität und analytische Klugheit. Ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion und ihr Vermögen, ein persönliches Drama als allgemeingültige Geschichte zu erzählen, können dem Vergleich mit ihrer Aufarbeitung der Vater-Tochter-Beziehung in „Fun Home“ standhalten. Und zeichnerisch hat sie sich sogar noch gesteigert und nutzt die Möglichkeiten des Comics durch geschickte Bild-Text-Kontrastierungen noch souveräner, um die widersprüchliche und konfliktbeladene Beziehung zu ihrer Mutter aufzuarbeiten.

Hier lesen Sie, welches die Top-Favoriten von Lars von Törne sind

Nachschub gesucht? Unsere Jury und unsere Leser hätten da ein paar Tipps.
Nachschub gesucht? Unsere Jury und unsere Leser hätten da ein paar Tipps.

© picture alliance / dpa

Platz 2:
Barbara Yelin: Irmina
Reprodukt
Als Zeichnerin liebe ich Barbara Yelin schon lange, weil sie durch ihren vielschichtigen Zeichenstil wie keine zweite Stimmungen, Zwischentöne und Gefühle vermitteln kann. Wie schön, dass sie jetzt endlich auch als Autorin einer langen Erzählung zeigt, was sie drauf hat. Wie sie die charakterliche Entwicklung einer jungen Frau von der eigensinnigen Rebellin zur Mitläuferin im NS-Staat vor Augen führt, das geht unter die Haut. Und stellt uns vor die Frage, wie wir in einer vergleichbaren Situation agiert hätten – umso mehr, wenn man weiß, dass die Hauptfigur teilweise ihrer Großmutter nachempfunden ist. Yelins Zeichnungen sind handwerklich perfekt und lassen uns durch ihre teils skizzenhafte Anmutung zugleich am kreativen Prozess teilhaben, als schauten wir ihr am Ateliertisch über die Schulter. Lediglich das alle Handlungsfäden zusammenführende Ende der Geschichte erscheint mir etwas zu rund und konstruiert – daher nur auf Platz 2.

Platz 1:
Mawil: Kinderland
Reprodukt
Zugegeben: Originell ist die Wahl dieses Titels nicht mehr, denn seit einem halben Jahr überschlagen sich nahezu alle Rezensenten mit Lobeshymnen, von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bis zum „Neuen Deutschland“. Zu meiner Verteidigung möchte ich vorbringen, dass ich vor einer gefühlten Ewigkeit (im Mai diesen Jahres) die erste Rezension dieses Buches überhaupt schrieb – und mein damaliges Urteil auch bei der erneuten Lektüre von "Kinderland" bestätigt finde: „Die mit dynamischen Bildfolgen und geschickt angelegten Figuren erzählte Coming-of-Age-Geschichte entfaltet sich vor dem Hintergrund der letzten Monate vor dem Mauerfall. So wird die Charakterentwicklung und Selbstfindung der autobiografisch inspirierten Hauptfigur zur Metapher für die Befreiung der Ostdeutschen aus der SED-Vormundschaft. Vor allem aber ist es eine mitreißend erzählte, allgemeingültige, witzige und trotz ihres locker wirkenden Funny-Stils in die Tiefe gehende Geschichte darüber, wie verwirrend, aufregend und beglückend es sein kann, als junger Mensch seinen eigenen Weg zu finden.“

Die Favoriten der anderen Jurymitglieder finden Sie hier: Andreas Platthaus,Anne Delseit, Stefan Pannor, Lutz Göllner, Volker Hamann, Matthias Hofmann, Martin Jurgeit. Der Beitrag von Frauke Pfeiffer folgt in Kürze. Hier finden Sie das Endergebnis der Jury-Abstimmung. Und hier finden Sie die Empfehlungen unserer Leser.

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