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Gold. Mit dieser Auszeichnung können sich in diesem Jahr die Favoriten der Tagesspiegel-Jury schmücken.

© Tsp

Comic-Bestenliste: Die besten Comics 2018 – Moritz Honerts Favoriten

Welches sind die besten Comics des Jahres? Das haben wir unsere Leser und eine Fachjury gefragt. Heute: Die Top-5 von Tagesspiegel-Redakteur Moritz Honert.

Auch in diesem Jahr haben wir unsere Leserinnen und Leser wieder gefragt, welches für sie die besten Comics der vergangenen zwölf Monate waren - hier eine Auswahl der Ergebnisse. Parallel dazu war wie bereits in den vergangenen Jahren wieder eine Fachjury gefragt. Die bestand in diesem Jahr aus acht Autorinnen und Autoren der Tagesspiegel-Comicseiten: Barbara Buchholz, Ute Friederich, Moritz Honert, Oliver Ristau, Sabine Scholz, Marie Schröer, Ralph Trommer und Lars von Törne.

Die Mitglieder der Jury haben in einem ersten Durchgang ihre fünf persönlichen Top-Comics des Jahres gekürt, die in den vergangenen zwölf Monaten auf Deutsch erschienen sind. Die Ergebnisse finden sich unter den obigen Namens-Links. Jeder individuelle Favorit wurde von den Jurymitgliedern mit Punkten von 5 (Favorit) bis 1 (fünftbester Comic) beurteilt. Daraus ergab sich dann die Shortlist, auf der alle Titel mit mindestens fünf Punkten oder mindestens zwei Nennungen landeten. Diese Shortlist wurde abschließend von allen acht Jurymitgliedern erneut mit Punkten bewertet - daraus ergab sich die Rangfolge der besten Comics des Jahres, die sich unter diesem Link findet.

Moritz Honert
Moritz Honert

© Foto: Mike Wolff

Hier dokumentieren wir die Favoriten von Tagesspiegel-Redakteur Moritz Honert.

Platz 5: Ian Fleming / Van Jensen - Casino Royale
Als sich Ian Fleming 1952 an den Schreibtisch setzte, wollte er nicht weniger schaffen als „die ultimative Spionagegeschichte“. Geschaffen hat er einen Mythos, der bis heute nichts von seiner grausamen Faszination eingebüßt hat. Wer James Bond allerdings nur aus den Filmen kennt, kennt sie nur halb. Roger Moore ist von Flemings Schöpfung etwa so weit entfernt, wie Disco von Black Metal. Van Jensen tat also das einzig richtige und stütze sich bei der Adaption des ersten Bond-Romans „Casino Royale“ auf Flemings kalte Prosa und zeichnet Bond als zynisches, (selbst)zerstörerisches, berechnendes, frauenfeindliches, verwundetes Raubtier. Dennis Calero entwirft dazu eine in Zigarettenrauch und Schatten liegende Welt mit Kontrasten, so hart wie die Seelen der Menschen, die sie bevölkern.

Platz 4: Nora Krug - Heimat
Der Comic-Markt ist reich an Autobiografien, die allerdings oft nicht über banale Erkenntnisse hinauskommen und in introspektiver Weinerlichkeit steckenbleiben. Nora Krugs „Heimat“ ist anders. Schon formal. In dem Buch verbindet sie Illustration, Skizzenheft, Fotoalbum und Comic zu einer einzigartigen Wort-Bild-Collage. Die Recherchereise, die die in Amerika lebende Künstlerin unternimmt, um zu ergründen, woher sie kommt, ist nicht nur eine in die Vergangenheit ihres Heimatlandes, sondern auch eine in die Deutsche Psyche.

Platz 3: Emil Ferris - Am liebsten mag ich Monster
Es dauert ein wenig, bis klar wird, dass da noch mehr ist. Dass hinter der schon ermüdend oft erzählten Geschichte von den Sorgen des Erwachsenwerdens noch eine weitere, wesentlich erschütterndere lauert. Emil Ferris‘ Debüt startet harmlos, wandelt sich zum kafkaesken Krimipuzzle, um den Leser dann in den Abgrund des Kindesmissbrauchs zu reißen. Faszinierend ist auch die zeichnerische Wandlungsfähigkeit der 56-jährigen Debütantin. Niedliche Cartoons gleiten über in wirre Collagen. Ferris kopiert Gemälde, Pulp-Magazine und auf artifiziell-bunte Kugelschreiberbilder folgen penibel ausgeführte Bleistiftzeichnungen, deren manische Schraffuren denen von Robert Crumb in nichts nachstehen. Keine einfache Lektüre, es braucht Konzentration dem virtuos komponierten Erzählbogen zu folgen. Doch eine lohnenswertere Anstrengung gab es lange nicht mehr im Bereich der Bildergeschichten.

Das hier sind die beiden Top-Titel von Moritz Honert

Platz 2: Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher
Es gibt Künstler mit einer überbordenden Phantasie – und es gibt Walter Moers. Auf drei Seiten Text verballert er mehr Ideen als andere Autoren in drei Büchern. Nicht anders bei „Die Stadt der träumenden Bücher“, der mit viel Aufwand in einen zweibändigen Comic verwandelt wurde. Visuell suchen die gemäldegleichen Bilder von Florian Biege ihresgleichen. So plastisch sind die mit hunderten Details geschmückten Räume, seine Figuren gleichzeitig liebreizend, blutrünstig aber vor allem lustig. Genau wie die Erzählung selbst. Hinter der von Schauerromanen wie „Frankenstein“ inspirierten Abenteuer-Geschichte, die von der Reise des angehenden Dichters Hildegunst von Mythenmetz in die Bücherstadt Buchhain berichtet, steckt nicht nur eine Liebeserklärung an die Macht der Phantasie, sondern auch eine anspielungsreiche, bitterschwarze Abrechnung mit dem Literaturbetrieb.

Platz 1: Alberto Breccia - Lovecraft
Zahllose Künstler sind an der Aufgabe gescheitert, die Horrorwelten des Autors H.P. Lovecraft in Bilder zu bannen. Wie soll man Wesen zeigen, deren Beschaffenheit den menschlichen Verstand übersteigt? Wie ein Grauen einfangen, dessen Anblick genügt, einen in den Wahnsinn zu stürzen? Auch der südamerikanische Künstler Alberto Breccia „begriff ziemlich schnell, dass die traditionellen Mittel des Comics nicht ausreichen, um Lovecrafts Universum darzustellen“, wie er selbst in einem Interview erzählte. Die Lösung, die er fand, ist eine Technik, die schon Lovecraft selbst nutzte: die Kollision von extremem Realismus mit extremer Abstraktion. Wenn Lovecraft von tatsächlichen Orten oder mit penibler Naturwissenschaftlichkeit erzählt, setzt Breccia in den neun zwischen 1974 und 1979 entstandenen Adaptionen auf realistische Tuschezeichnungen. Wo Lovecraft sich Begriffen wie „unsagbar“ oder „unnennbar“ bedient, arbeitet Breccia mit Papiercollagen, verwaschenen Schlieren und amorphen Strukturen. Dabei erschafft er Bilder, die das eigentlich Unmögliche möglich machen: Auf ihnen ist nichts, und gerade deshalb alles zu sehen. Ein bewusstseinserweiterndes Werk.

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