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Heimliches Leben: Die Identität von B. Traven war lange Zeit Gegenstand fantastischer Hypothesen.

© Avant

Comic-Biografie: Das literarische Rätsel

Romane wie „Das Totenschiff“ und „Der Schatz der Sierra Madre“ machten ihn berühmt. Dennoch blieb der Schriftsteller B. Traven zeitlebens ein Mysterium. Eine Comic-Biografie spürt ihm nach.

April 1969, Lacandonen-Urwald, Chiapas, Südost Mexiko...- ein Flugzeug überfliegt den Rio Jatate und verstreut die Asche des Mannes, der vierzig Jahre zuvor geschrieben hatte: „Ich betrachte die mexikanischen Indianer und das mexikanische Proletariat als meine engsten Freunde....“ - so beginnt der französische Comic-Autor Golo sein Werk: „B. Traven - Porträt eines berühmten Unbekannten“, eine zeichnerische Hommage an den weltbekannten Autor, der seit 1951 mexikanischer Staatsbürger war und am 26.3. 1969 in Mexico City verstarb.

Golo, so nennt sich der französische Comicautor Guy Nadeau, 1948 in Bayonne geboren, der seit vielen Jahren in der Nähe von Kairo lebt und dort für die „Cairo Times“ arbeitet. In den 1970ern zeichnete er für namhafte französische Magazine und publizierte knapp 20 Alben, so den 2007 in Frankreich und nun auf Deutsch erschienenen weltweit ersten Comic-Band zum Leben von Traven.

Als Hochverräter zum Tode verurteilt

B. Traven, so (unter anderem) nannte sich der in viele Sprachen übersetzte deutsche Star-Autor der Büchergilde Gutenberg, welcher zu Recht als das größte literarische Geheimnis des 20. Jahrhunderts bezeichnet worden ist. Unter dem Namen Ret Marut war er vor seiner Flucht nach Mexiko in Deutschland als Schauspieler, Autor und Herausgeber der anarchistischen Antikriegs-Zeitschrift „Der Ziegelbrenner“ in Bayern tätig. Wegen seiner Beteiligung an der Münchner Räterepublik wurde er als „Hochverräter“ zum Tode durch Erschießen verurteilt, konnte seinen Wächtern aber noch entkommen.

Golo zeichnet chronologisch Episoden dieses abenteuerlichen Lebens nach - die Zeit in Europa bis zur Weimarer Republik fast durchgehend in Schwarzweiß, sein späteres Leben in Mexiko dann in Farbe, durchsetzt von ganzseitigen historischen Wimmelbildern, um die Weltereignisse zu verbinden.

Manchmal schimmert George Grosz hindurch: Eine Szene aus dem Band.
Manchmal schimmert George Grosz hindurch: Eine Szene aus dem Band.

© Avant

Um historische Genauigkeit bemüht, ist der liebevoll und handwerklich sicher gestaltete Band im Stil schlicht gehalten und gerade dadurch - auch farblich -  einfach  schön. Fast altmodisch kommt dieser Band zunächst daher, durchaus passend am Comicstil der 30er und 40er Jahre orientiert, aussagekräftig, simpel, und dennoch mit gekonntem Spannungsaufbau gezeichnet. Anklänge finden sich vielerlei; manchmal scheint George Grosz hindurchzuschimmern. Oft erinnert Golos Stil auch an die großartigen Zeichnungen eines Walter Trier, der Erich Kästners „Emil und die Detektive“ illustrierte, oder an den belgischen  Tim-und-Struppi-Zeichner Hergé.

Golo stieß nach eigenem Bekunden durch ein Buchgeschenk schon als Kind auf B. Travens Roman „Das Totenschiff“. Fasziniert durch das Thema der Ausbeutung, bald auch politisiert, las er alles, was er von ihm erlangen konnte und kam vom Thema der indigenen Bevölkerung in Mexiko nicht mehr los. Angeregt durch die Forschungen des verstorbenen Leipziger Traven-Forschers Rolf Recknagel zur Identität Ret Maruts/B. Travens, nahm er ausführlich auch das Frühwerk von Ret Marut ins Visier.

„Wer zum Teufel sind Sie?“

So ist es ihm nun gelungen, ein lebendiges Bild von Travens Leben in Mexiko erstaunlich werkgetreu in groben Zügen zusammenzusetzen, ohne seine Spuren im vorrevolutionären Deutschland der Jahrhundertwende zu negieren.

Man merkt, dass Golo sich intensiv mit Travens Biografie beschäftigt haben muss. Er ist auf dem neuesten Stand der Traven-Forschung, die ja bis heute die eigentliche Herkunft des Autors nicht genau ermitteln konnte. So lässt Golo dann auch, leider sprachlich etwas krumm übersetzt, sein zeichnerisches Werk mit der Gretchenfrage der Travenforschung ausklingen, wenn er ihm in den Mund legt: „Ich hätte gern auf die Frage ‚Wer zum Teufel sind Sie?’ antworten gekonnt. Aber es stimmt: Ich weiß es selbst nicht! Und wenn ich es gewusst hätte, hätte ich vielleicht meine Bücher nicht schreiben können.“

Mann mit vielen Gesichtern: Das Titelbild des Buches.
Mann mit vielen Gesichtern: Das Titelbild des Buches.

© Avant

Man geht bei Travens Werk inzwischen von einer Weltauflage von 35 Millionen aus. Dennoch sind seine Bücher im deutschsprachigen Raum heute  weitgehend vergriffen. Nur „Das Totenschiff“ und „Der Schatz der Sierra Madre“ sind noch erhältlich. Möge Golos - auch für schulische Zwecke hervorragend geeignete - Comic-Biografie B. Travens eine Anregung für mutige Verleger sein, wenigstens einen Teil des Travenschen Werkes wieder aufzulegen.

Golo: B. Traven - Porträt eines berühmten Unbekannten, Avant, 144 Seiten, 24,95 Euro, Leseprobe auf der Verlags-Website

Unser Gastautor Christoph Ludszuweit ist im Vorsitz der Internationalen B. Traven Gesellschaft e.V., Berlin

Christoph Ludszuweit

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