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Universum aus Farben und Formen: Eine Seite aus „Crawl Space“.

© Rotopolpress

Comic „Crawl Space“: Von Gegensätzen geprägt

Zwei Welten, zwei Arten der Narration: Jesse Jacobs' Comic „Crawl Space“ ist ein Fest für die Augen - aber zugleich weit mehr als das.

Zwei gegensätzliche Welten, zwei visuelle Sprachen, zwei grundverschiedene Ansprüche an Kunst. „Crawl Space“, das neueste Werk des kanadischen Zeichners Jesse Jacobs („Safari Honeymoon“, „Hieran sollst Du ihn erkennen“) ist geprägt von starken Gegensätzen. Im Zentrum des Comics steht die Schülerin Daisy, die mit ihren Eltern in einer durchschnittlichen nordamerikanischen Kleinstadt wohnt. Eines Tages entdeckt sie, dass die Waschmaschine im Keller des Hauses das Portal zu einer verborgenen Welt ist.

Diese Welt übt eine große Anziehungskraft auf Daisy aus. Immer öfter nutzt sie das Portal, um der realen Welt zu entfliehen und sich der Faszination dieses Paralleluniversums hinzugeben. Eine Faszination, der sich auch der Leser kaum entziehen kann.

Erzählen mit Bildern, Erzählen mit Text

Man wird hinein gezogen in eine schwarze Weite, die von grellbunten Fabelwesen bevölkert wird. Geometrische Formen und grelle Farben geben dieser Welt Struktur und werden als visuelle Elemente zur treibenden Kraft der Erzählung.

So funktioniert die Narration streckenweise auch ganz ohne Text und entwickelt eine Art Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. In diesen Passagen ist „Crawl Space“ ein Fest für die Augen. Ein Zur-Schau-Stellen der visuellen Mittel und des rein grafischen Narrationspotentials des Comics.

Dem gegenüber steht die Repräsentation der realen Welt in Schwarz-Weiß. Hier wird der Text zum zentralen Element der Narration und Daisy zur Protagonistin einer Geschichte, die Elemente von Horrorstory und Entwicklungsroman vermischt. Es geht um Freundschaft und den Versuch, den eigen Platz innerhalb einer Gruppe zu finden.

Verborgenes Universum aus Farben und Formen: Eine weitere Seite aus „Crawl Space“.
Verborgenes Universum aus Farben und Formen: Eine weitere Seite aus „Crawl Space“.

© Rotopolpress

So weiht Daisy zunächst nur eine Freundin in das Geheimnis ein, das sich im Keller ihres Elternhauses verbirgt. Diese versucht jedoch, sich gegenüber den Mitschülern interessant zu machen und schon bald kommen immer mehr Jugendliche zu Daisy nach Hause.

Sie alle betreten das verborgene Universum aus Farben und Formen. Die beiden Welten und damit auch die gegensätzlichen Arten, die Narration zu gestalten, beginnen sich immer stärker zu vermischen. Und der Leser erkennt, dass Jacobs Comickunst eben doch weit über den reinen Selbstzweck einer l’art pour l’art, einer Kunst allein um der Kunst Willen, hinausgeht.

Jesse Jacobs: Crawl Space, Rotopolpress, 96 Seiten, 19 Euro

Das Titelbild des besprochenen Buches.
Das Titelbild des besprochenen Buches.

© Rotopolpress

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