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Beiläufige Momente, große Tragödien. Eine Doppelseite aus „Alans Krieg“.

© Illustration: Guibert/Edition Moderne

Comic-Memoiren: Stellungskrieg des Lebens

Emmanuel Guibert zeichnet in „Alans Krieg“ ein Soldatenleben nach, in dem immer wieder die großen Fragen der Menschheit aufscheinen.

Alan Cope war, wie viele Millionen andere Amerikaner, Soldat im Zweiten Weltkrieg. Doch dieser Krieg steht nicht im Vordergrund des Bandes von Emmanuel Guibert, welcher Alan 1994 zufällig in Frankreich kennenlernte und sich mit ihm anfreundete; „Alans Krieg“ ist das auf der Basis von Gesprächen entstandene Dokument einer Lebensgeschichte.

Nicht Kampfszenen oder eine Anklage der Schrecken des Krieges erwarten die Leser, auch große Dramen und Lebenskrisen hat Alan Cope, der als ziviler Angestellter auch nach dem Krieg im US-Militär blieb (unter anderem in Deutschland und Frankreich) und sich nach seiner Pensionierung in Frankreich niederließ, nicht zu bieten. Sein Leben als Krieg ist kein Blitzkrieg, sondern eher ein Stellungskrieg, ein Ermüdungskrieg, wie wahrscheinlich das Leben der meisten. Das große Abenteuer bleibt – vielleicht sogar zum Glück? – die große Ausnahme der condition humaine.

Beiläufige Tragödien, gescheiterte Freundschaften

Alan Cope hatte ein langes Leben und Guibert nimmt sich viel Platz (über 300 Seiten, leider nicht im Großformat der Neuausgabe des 2000 erschienenen französischen Originals), um davon zu erzählen. Mit einer besonderen, auf ineinander verlaufende Grautöne zielenden Zeichentechnik (mehr dazu unter diesem Link) schafft Guibert, bekannt vor allem für seinen im Afghanistan der 1980er Jahre spielenden Band „Der Fotograf“, stimmungsvolle Szenen und Hintergründe, insbesondere Landschaften im Morgengrauen und in der Abenddämmerung.

Soldatenleben. „Alans Krieg“ ist auf der Basis von Gesprächen des Zeichners mit dem ehemaligen Soldaten Alan Cope entstanden.
Soldatenleben. „Alans Krieg“ ist auf der Basis von Gesprächen des Zeichners mit dem ehemaligen Soldaten Alan Cope entstanden.

© Edition Moderne

Personen sind dagegen meist eher als Cartoons gezeichnet und bleiben in ihren Summe Andeutungen, denn die Überzeichnungen, mittels derer Cartoons nur funktionieren können, müssen hier aufgrund der realistisch-biographischen Anlage unterbleiben. Eingestreute und nachgeschobene Fotos helfen etwas.

Über die lange Strecke schafft es der Band zwar nicht, die Spannung aufrecht zu erhalten, es plätschert zuweilen etwas dahin. Doch immer wieder gibt es meist fast beiläufig erzählte Momente, in denen die großen Fragen und Tragödien der Menschheit aufscheinen, so als Alan im Vorbeifahren Zeuge wird, wie ein „kleiner deutscher Soldat“ unter die Ketten eines deutschen Panzers gezogen und zermalmt wird, ohne dass der Panzerfahrer davon irgendetwas mitbekommt.

Beiläufig erzählen Cope und Guibert auch von Liebschaften und Freundschaften und wie sie manches Mal durch Missverständnisse und die Unzulänglichkeiten der Menschen, den Erzähler sanft selbstkritisch eingeschlossen, scheitern. Einem Freund begegnet der etwas altmodische Alan beispielsweise durchaus mit Respekt, nachdem er von seiner Homosexualität erfährt. Aber als der Freund mutmaßlich an Aids erkrankt, fragt er lieber nicht genauer nach. Der Band ist voll von solchen kleinen, nicht immer schmeichelhaften Geschichten und hinterlässt den Leser am Ende mit einer leichten, recht angenehmen Melancholie.

Emmanuel Guibert: Alans Krieg. Die Erinnerungen des GI Alan Cope, Edition Moderne, 336 Seiten, 26 Euro. Leseprobe unter diesem Link.

Thomas Greven

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