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Lesestoff. Am Sonntag endete nach vier Tagen der Internationale Comic-Salon Erlangen - mit 25.000 offiziell gezählten Besuchern.

© Lars von Törne

Comic-Salon Erlangen: Kinder, was für Comics!

Kinder sind bei Festivals wie dem kürzlich zu Ende gegangenen Comic-Salon in der Minderheit. Wie macht man dem Nachwuchs die einst als Kinderkram verrufene Kunstform wieder schmackhaft? Antworten darauf gab ein Podium in Erlangen.

Ein passender Einstieg in den letzten Tag des Comic-Salons Erlangen, den sogenannten „Familien-Sonntag“, war die Podiumsdiskussion zum Thema „Also doch: Kinderkram – Comics für junge Leser“. Wie der Journalist Christian Gasser es in seiner Anmoderation auf den Punkt brachte, ging die „Graphic-Novel-Nobilitierung“ oftmals mit einer Distanzierung vom kindlichen Image des Comics einher. Auch 30 Jahre nach dem ersten Comic-Salon beginnt so mancher Bericht noch immer mit dem demonstrativen Verweis, dass Comics mittlerweile mehr seien als nur „Kinderkram“: Um sich vor despektierlichen Äußerungen zu schützen, werden etwaige Vorurteile also kontinuierlich einkalkuliert.

„Du wirst Analphabet und du wirst kriminell.“, so schallte es dem Mitdiskutanten und Comicfreund und -forscher Dietrich Grünewald einst in seiner Kindheit entgegen. Spätestens mit seiner Position als Professor für Kunstdidaktik dürfte er die Eiferer von damals eines Besseren belehrt haben. Grünewald und Mitdiskutanten, die Autoren Ulf K. und Ralph Ruthe sowie der Comic-Redakteur Michael Groenewald, waren sich jedenfalls einig: Comics hatten und haben für Kinder einiges zu bieten. Schon die Nennungen der sie prägenden Kindheitsleküren illustrierten, dass auch die Bildgeschichten früherer Tage über großes Inspirations- und Unterhaltungspotential verfügten. Beeinflusst worden waren die Diskutanten von Wilhelm Busch, genauso wie von Fix und Foxi, Vertretern der fanko-belgischen Schule oder auch von der Mitlektüre der „Pardon“-Hefte der Eltern.

Die Leser von damals sind es jedenfalls, die heute als Autoren neue Kriterien für Kindercomics, auch auf dem deutschen Markt, etablieren: Ralph Ruthe veröffentlicht (gemeinsam mit Flix) im Kindermagazin des Spiegels und bei Carlsen absurde und lehrreiche Anekdoten aus dem Leben des schweigsamen Reporterhundes Ferdinand, der es als tierischer Sonderling inmitten seiner menschlichen Entourage nicht immer einfach hat. Ulf K. verzichtet in seiner bei Reprodukt erscheinenden „Pelle und Bruno“-Reihe für die ganz jungen Leser vollständig auf Text. Schon Kinder ab drei Jahren können sich die Abenteuer der ordnungsliebenden Katze und ihres chaotischen Kompagnons selbstständig erschließen. Internationale Erfolgsautoren sind im Programm von Carlsen und Reprodukt selbstverständlich auch vertreten. Zu nennen wären beispielsweise die zwei Duos Marc Boutavant/Emmanuel Guibert und Pierre Bailly/Céline Fraipont, sowie der diesjährige Max und Moritz- Preisträger Luke Pearson und Salon-Gast Émile Bravo.

Auch Frank Sommer, Leiter der Literaturagentur Eventilator war in Erlangen gemeinsam mit Comicexpertin und Pädagogin Anna Gabai vor Ort, um mit den alten, eingangs erwähnten Vorurteilen aufzuräumen. Die Kooperation mit Carlsen und Reprodukt, sowie klassischen Kinderbuchverlagen wie Oettinger lag also nahe. Verbindendes klar umrissenes Ziel ist es, mithilfe von Comics den Spaß am Lesen zu wecken. Aus guter nicht-didaktisierter Unterhaltung resultieren erste Lese-Erfolgs-Erlebnisse. Sommer und Gabai bieten Veranstaltungen in Schulen und Bibliotheken an, um Skeptiker und potentielle Leser an das Medium heranzuführen. Hier wird in kurzweiligen Mitmach-Aktionen neben fundiertem Wissen über Superhelden auch „visual literacy“ (Gabai) vermittelt, zum Beispiel anhand von wortlosen Bildgeschichten wie Shaun Tans „The Arrival“.

Dietrich Grünewald verwies in seinem abschließenden Plädoyer ebenfalls auf die Arbeit von Eventilator. Dem Erwerb von Bildkompetenz solle generell ein höherer Stellenwert eingeräumt werden: „Unser ganzes Leben besteht daraus, dass wir mit Bildern umgehen.“ Bleibe nur zu hoffen, dass die Erfindung eines neuen Kunstwortes für Kinder-Comics nicht vonnöten sei, um letzte Berührungsängste abzubauen.

Marie Schröer

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