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Manga in Moskau: Besucher betrachten Comic-Zeichnungen in der Ausstellung "KomMissija" im Künstlerzentrum Winsawod.

© Wolfgang Jung

Comic-Szene: Zwischen Major Pronin und Puschkin

Micky Maus und Spider-Man sind längst auch in Russland populär. Dagegen werden Comicstrips russischer Zeichner von einheimischen Verlagen meist ignoriert. Eine Ausstellung in Moskau soll das ändern.

Russlands bunte Comic-Szene hofft 20 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion auf den Durchbruch zum etablierten Literaturbetrieb - auch mit Hilfe aus Deutschland. Das Goethe-Institut und der Comic-Salon Erlangen beteiligen sich in diesen Tagen an einer großen Ausstellung in Moskau, die eindrucksvoll die Vielfalt russischer Bildgeschichten dokumentiert.

Wer derzeit in Buchläden zwischen St. Petersburg und Wladiwostok nach Comics fragt, erntet oft lediglich ein Schulterzucken. Zwar gibt es an vielen Kiosken Micky Maus und Superman. Aber kaum ein Verlag traut sich an russische Bildgeschichten, sie erscheinen meist nur im Internet.

Eine eigene Tradition gibt es kaum

„70 Jahre lang waren die Menschen der sowjetischen Propaganda ausgesetzt, wonach Comics eine amerikanische Provokation sind“, sagt Pawel Suchich, einer der bekanntesten russischen Zeichner. „Eine ganze Generation ist in Russland praktisch ohne Comics aufgewachsen, das hinterlässt Spuren“, sagt der 43-Jährige mit einem charakteristischen Zopf aus Rastalocken. „Viele Eltern schenken ihren Kindern lieber ein Bilderbuch, weil sie nicht genau wissen, wozu ein Comic eigentlich gut ist“, sagt der Grafikstudent Sergej, der mit Freundin Dascha die umfangreiche Comic-Ausstellung „KomMissija“ in Moskaus renommiertem Künstlerzentrum Winsawod besucht.

Unter den rund 300 Comic-Strips in zwei Sälen eines Backstein-Baus sind zum Beispiel die tabulosen Abenteuer des Sowjetagenten „Major Pronin“ sowie Puschkin-Gedichte mit frechen Sprechblasen. Nebenan hängt eine deutsche Werkschau des Goethe-Instituts mit Zeichnungen etwa von Reinhard Kleist aus Berlin oder der Mangazeichnerin Christina Plaka aus Offenbach. „Nach langem Kampf gehören Comics heute zur deutschen Literaturszene, auch wenn es keine Massenerzeugnisse sind“, sagt der Leiter des Erlanger Festivals Comic-Salon, Bodo Birk. „Ich wünsche den russischen Freunden, dass ihre Kunst eine feste Größe mit internationaler Anerkennung wird.“

Nachholbedarf: Jugendliche Ausstellungsbesucher in Moskau.
Nachholbedarf: Jugendliche Ausstellungsbesucher in Moskau.

© dpa

Der Weg dorthin sei lang, meint Suchich. Aber der Anfang gilt als gemacht: Der aktuelle zehnte „KomMissija“-Jahrgang, der bis 15. Mai läuft, findet soviel Beachtung wie nie. Vielen Künstlern fehle es aber noch an einem allgemeinen Verständnis für diese Form, bemängeln Kritiker außerhalb der Szene. Erzählweise und Zeichenstil ließen oft zu wünschen übrig. „Wenn eine eigene Comic-Tradition fehlt, orientiert man sich meist an klassischen Vorbildern“, meint Birk. Tatsächlich ist im Winsawod der Einfluss aus Frankreich (Asterix) und den USA (Spider-Man) sowie aus Japan (Manga) nicht zu übersehen.

Zensur wegen Tim und Struppi

Dabei gab es in der Sowjetunion durchaus in Pioniermagazinen erste eigene Bildgeschichten. Das Comic-Verbot soll 1930 erlassen worden sein, nachdem das Land in dem berühmten Tim-und-Struppi-Band „Tim im Lande der Sowjets“ als erzkriminell dargestellt wurde.

Russische Comics würden aber heute eher Alltagsgeschichten erzählen und seien weniger politisch, sagt Suchich. Wesentlich gefördert von der Europäischen Union, soll es im Rahmen von „KomMissija“ Mitte Mai dennoch auch um Politik gehen. Dann diskutieren etwa 20 europäische Zeichner mit russischen Kollegen über „Respekt“. Aus Deutschland wird unter anderem Comic-Altstar Gerhard Seyfried (63) dabei sein.

(dpa)

Wolfgang Jung

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