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Amerikanischer Alptraum: Das Cover des „Dixie Road“-Sammelbandes.

© Splitter

Comics: Was vom Jahre übrig blieb

Nicht alle neuen Comics des vergangenen Jahres fanden in den vergangenen zwölf Monaten Platz auf den Tagesspiegel-Seiten. Hier eine Auswahl von Comics aus 2011, die zu schade zum Vergessen wären.

Von den vielen Neuerscheinungen, die die Tagesspiegel-Redaktion im vergangenen Jahr erreichten, konnten wir aus Platz- und Zeitgründen leider nur eine Auswahl auf den Comicseiten präsentieren. Deshalb soll an dieser Stelle eine Auswahl von Titeln gewürdigt werden, die wir neben den bereits auf www.tagesspiegel.de/comics erwähnten Büchern und Alben unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. Und manche Neuerscheinung aus 2011 werden wir trotz des neuen Jahres noch in den kommenden Wochen auf unseren Seiten ausführlicher präsentieren.

Gezeichnetes Road Movie: Der Autor Jean Dufaux und der Zeichner Hugues Labiano erzählen in „Dixie Road“ (Splitter, 24,80 Euro) ein packendes historisches Drama. Auf 200 Seiten schildern sie die Odyssee einer Familie durch die von Gewalt und Armut geprägten USA der 1930er Jahre. In makellosen Bildern führen sie die Schattenseiten des amerikanischen Traums vor Augen und präsentieren mit der jungen Dixie Jones eine starke, überzeugende Hauptfigur. Vor zehn Jahren erstmals erschienen, kann man das ursprünglich vierbändige  Epos jetzt in einer edlen Hardcover-Gesamtausgabe neu entdecken. 

Kunst ohne viele Worte: Dass der Australier Shaun Tan ein Großmeister der Bilderzählung ist, weiß man nicht erst seit seinem Oscar-Gewinn für einen Kurzfilm, der auf seiner gezeichneten Kurzgeschichte „Die Fundsache“ basierte. Gleich zwei Bücher, die im vergangenen Jahr erschienen sind, führen nun vor Augen, wie seine Meisterwerke entstehen. „Der Vogelkönig und andere Skizzen“ (Carlsen, 136 Seiten, 24,90 Euro) ist ein faszinierender Werkstattbesuch. Fantastische Bilder von Fabelwesen, Menschen in surrealistischen Situationen und Notizen zeigen, dass Tan noch viele Geschichten zu erzählen hat. Und die Luxusausgabe seines bislang wichtigsten Werkes, „Ein neues Land“ (2 Bände à 128 und 48 Seiten, 49,90 Euro), besticht durch einen Begleitband, der mit Skizzen und Notizen die Entstehungsgeschichte dieses ohne ein einziges Wort erzählten Auswanderer-Dramas illustriert. Auch wenn die Inspiration eines Künstlers immer auch etwas Magisches, Unfassbares hat – so nah wie mit diesen beiden Büchern kommt man ihr selten.

Unbewältigte Vergangenheit: Das Cover von „Jazz Maynard“.
Unbewältigte Vergangenheit: Das Cover von „Jazz Maynard“.

© Nona Arte

Düsteres Drama: Mit elegantem Strich und rauem Ton erzählt das nur unter seinen Vornamen agierende spanische Comic-Duo Raule und Roger in „Jazz Maynard“ (Nona Arte, 178 Seiten, 24 Euro) von dem gleichnamigen Musiker und Gangster, der mit seinem schlanken, traurigen Gesicht an Adrien Brody erinnert – aber härter austeilen kann. Maynard stammt aus einem armen Viertel Barcelonas, hat in den USA sein Glück versucht und kehrt nach zehn Jahren unfreiwillig zurück. Wie ihn dann seine unbewältigte Vergangenheit einholt und die Geschichte in einer Orgie der Gewalt endet, das ist packend und vielschichtig erzählt. Die dunklen, subtil kolorierten Panels ergeben in ihrer eleganten Optik einen spektakulären Kontrast zu der explosiven, gewalttätigen Handlung.

Klaustrophobischer Thriller: Hat man sich erst mal an die etwas zu fotorealistisch und daher steif wirkenden Zeichnungen in Xavie Dorisons und Christophe Becs Dreiteiler „Heiligtum“ (Splitter, 3 Bände à 66 Seiten, je 13,80 Euro) gewöhnt, kann einen die Geschichte um eine mysteriöse Tiefseemission bis in die eigenen Träume verfolgen. Düster, blutig und mit gezielten Schockmomenten erzählt  sie von der Suche einer U-Boot-Besatzung nach einem mysteriösen Artefakt in den Tiefen des Mittelmeeres. Und zeigen dabei feines Gespür für menschliche Ängste und Schwächen, die sich in der klaustrophobischen Enge des U-Bootes mit mörderischem Ausgang aufschaukeln.

Auf der nächsten Seite empfehlen wir Ihnen einen neu aufgelegte Science-Fiction-Klassiker, ein autobiographisches Kleinod und zwei bemerkenswerte Erzählungen deutscher Comic-Duos.

Zeitlos: Cover der „Camelot 3000“-Neuauflage.
Zeitlos: Cover der „Camelot 3000“-Neuauflage.

© Panini

Pointierte Alltagsepisoden: Das Cover von „Sperrbezirk“.
Pointierte Alltagsepisoden: Das Cover von „Sperrbezirk“.

© Zwerchfell

Nostalgischer Spaß: Die New-Wave-Frisuren und das eine oder andere Schulterpolster sind ein deutliches Zeichen, dass „Camelot 3000“ (Panini, 324 Seiten, 39,95 Euro) ein Kind der 1980er Jahre ist. Aber im Gegensatz zur Mode jenes Jahrzehnts wirkt das historisierende Science-Fiction-Epos von Mike W. Barr und Brian Bolland zeitlos und vermag auch im 21. Jahrhundert zu fesseln. Wie Barr es schafft, die alte König-Artus-Sage in die ferne Zukunft zu verlegen und mit einer Alien-Invasion zu einem großen Spektakel verknüpft, ist meisterhaft. Und Brian Bollands Zeichnungen, deren Stil man aus Klassikern wie der Batman-Erzählung „The Killing Joke“ kennt, sind wie immer große Comic-Kunst. Die edel aufgemachte, großformatige Neuauflage verschafft dem zu Unrecht vergessenen Meilenstein der Comic-Geschichte ein gebührendes Comeback.

Indianische Sage: Zunehmend dringt der deutsche Comic-Nachwuchs in Genres, die in früheren Jahren fest in der Hand der Frankobelgier und der Amerikaner lagen. Mit der Kurzgeschichte „Im Bann der Hexer(Ehapa, 64 Seiten, 13,99 Euro) wagen sich der Zeichner Florian Biege und der Autor Alexander Berger ins Feld der Indianer-Comics vor. Basierend auf einer alten Sage, erzählen sie von einem Fluch, der einen Stamm befällt und mit Gewalt besiegt wird. Die flächigen Schwarz-Weiß-Bilder sind düster und voller Symbolik, wirken jedoch durch ihre sichtbare digitale Bearbeitung vor allem bei der Darstellung der Hauptfiguren wenig lebendig. Der Erzählton ist klar, aber stellenweise etwas zu pathetisch. Dennoch vermittelt das Autorenduo eine intensive Atmosphäre und verschafft dem Leser vorübergehend das Gefühl, als stiller Beobachter mit am Lagerfeuer der Irokesen zu sitzen. Ein vielversprechendes Debüt.

Autobiographische Episoden: Wie gut er es versteht, Episoden aus seinem eigenen Leben so zu erzählen, dass sich viele Leser darin wieder finden können, führt Tobi Dahmen auf seiner Website www.fahrradmod.de vor. Dort kann man die Entstehung seiner autobiographisch geprägten Graphic Novel „Fahrradmod“ miterleben. Dass er auch davor schon ein Meister der pointierten, klugen Alltagsbeobachtung war, führen die in den vergangenen zwölf Jahren entstandenen Episoden vor, die in dem Sammelband „Sperrbezirk“ (Zwerchfell, 72 Seiten, 10 Euro) erschienen sind, der jetzt in einer erweiterten Ausgabe neu veröffentlicht wurde. In klaren Panels, mit feinem Humor und Einfühlungsvermögen bringt er tragische Kindheitsmomente, die Anonymität der Großstadt oder emotionale Konflikte auf den Punkt.

Hamburger Krimi. Wie zeichnet man einen Comic, der aus der Perspektive eines Blinden erzählt wird? Dieser Herausforderung haben sich der Autor Arne Sommer und der Zeichner Volker Sponholz mit „Peter Lundt – Gnadenstoß(Carlsen, 140 Seiten, 9,95 Euro) gestellt. Und liefern ein solides Ergebnis ab. Ihre Erzählung mit dem Hamburger Ermittler, der sich im Radio, per CD und auf der Bühne einen Namen als Experte für verrückte und heikle Fälle gemacht hat, glänzt durch hanseatisches Lokalkolorit und gelegentliche visuelle Experimente, die Lundts eingeschränkte Sicht auf die Welt auch zeichnerisch reflektieren. 

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