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Update

Comicsalon Erlangen: Die Liebe siegt

Flix gewinnt mit seinem Tagesspiegel-Strip „Schöne Töchter“ die wichtigste deutsche Comic-Auszeichnung, den Max-und-Moritz-Preis. Und er war an diesem zweiten Tag des Comicsalons Erlangen nicht der einzige Gewinner.

Alle vier Wochen erzählt der Berliner Comicautor Flix auf der letzten Seite der Tagesspiegel-Sonntagsseiten eine Geschichte von der Liebe, mal verspielt, mal tiefsinning, mal kitschig und mal abgrundtief traurig. Jetzt ist seine Serie „Schöne Töchter“ mit der bedeutendsten Auszeichnung für grafische Erzählkunst im deutschsprachigen Raum geehrt worden: Am Freitagabend bekam Flix den Max-und-Moritz-Preis des Comicsalons Erlangen in der Rubrik Comic-Strip. Sein Verdienst, so der Co-Moderator des Abends, Jurymitglied Christian Gasser, liege darin, nicht nur Monat für Monat eine Geschichte von der Liebe zwischen zwei Menschen zu erzählen, sondern Flix’ Arbeit sei auch ein Ausdruck der Liebe zum Comic-Strip.

Es ist bereits die zweite Max-und-Moritz-Medaille, die der 35-Jährige sich ins Regal stellen kann: 2004 war seine Erzählung „held“ in Erlangen als „bester deutscher Comic“ ausgezeichnet worden. Was mit der Medaille von damals sei, wurde Flix von Gasser und dessen Mitmoderatorin Hella von Sinnen bei der Preisgala gefragt. Schlagfertige Antwort: „Die läuft inzwischen an.“ An diesem Sonntag findet sich im Tagesspiegel übrigens die nächste Folge von Flix’ Serie.

Die weiteren Max-und-Moritz-Preisträger dieses Jahres:
Bester internationaler Comic: „Gaza“ von Joe Sacco - die Tagesspiegel-Rezension des Buches finden Sie hier.
Bester Comic für Kinder: „Das tapfere Prinzlein und die sieben Zwergbären“ von Emile Bravo.
Bester deutschsprachiger Comic: Simon Schwartz: „Packeis“ - Tagesspiegel-Rezension hier.
Publikumspreis: „Grablicht“ von Daniela Winkler.
Bester deutschsprachiger Künstler: Isabel Kreitz - mehr über sie hier.
Spezialpreis der Jury: Rossi Schreiber.
Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk: Lorenzo Mattotti.

Die besten drei: Olivia Vieweg (links) ist die Gewinnerin des Ehapa-Comicstipendiums, Moritz von Wolzogen landete auf dem zweiten Platz, Asja Wiegand auf dem dritten.
Die besten drei: Olivia Vieweg (links) ist die Gewinnerin des Ehapa-Comicstipendiums, Moritz von Wolzogen landete auf dem zweiten Platz, Asja Wiegand auf dem dritten.

© Lars von Törne

Ein paar Stunden zuvor hatte es im Erlanger Kongresszentrum, in dem sich auch am zweiten Tag des Comicsalons wieder Tausende Besucher tummelten, bereits eine Siegerehrung gegeben: Die Gewinnerin des Comicstipendiums der Ehapa Comic Collection ist die in Weimar lebende Autorin und Zeichnerin Olivia Vieweg . Ihr mit einem Exposé und mehreren gezeichneten Seiten vorgestellter Beitrag zum ausgelobten Thema „Heimat 2.0“ trät den Titel „Antoinette kehrt zurück“ und erzählt die geheimnisvolle Geschichte einer jungen Frau, die in den USA lebt und heimlich per Internetkamera beobachtet, was sich in ihrem alten Heimatort in der deutschen Provinz tut – bis etwas Unheimliches passiert. Viewegs Siegerprämie: 5000 Euro und die Zusage, dass ihre Erzählung als Buch bei Ehapa veröffentlicht wird. In der nebenstehenden Fotostrecke zeigen wir einen Auszug aus ihrer Arbeit. Den zweiten Platz belegte Moritz von Wolzogen aus Frankfurt am Main, den dritten Asja Wiegand aus Offenbach. Insgesamt gab es knapp 80 Einsendungen. Wann das nächste Comicstipendium ausgelobt wird, wird rechtzeitig auf der Ehapa-Website und auf den Tagesspiegel-Comicseiten bekanntgegeben.

Afrikanisches Trauma: Ein Auszug aus Danijel Žeželjs "Morie, Prince of the Dead", das im Rahmen des Black-Light-Projekts entstand.
Afrikanisches Trauma: Ein Auszug aus Danijel Žeželjs "Morie, Prince of the Dead", das im Rahmen des Black-Light-Projekts entstand.

© Comicsalon

Reverend Father John Garrick kann noch lachen. Der Journalist und Seelsorger aus Sierra Leone in Westafrika hat Entsetzliches verarbeiten müssen, seit er sich mit der Geschichte der Überlebenden aus den von Warlord Charles Taylor und dessen Milizen verübten Massakern an der Zivilbevölkerung beschäftigt. Aber: „Die Menschen sind dankbar, dass ihre Geschichte erzählt wird.“ Das von Andreas Platthaus moderierte Panel zum „Black.Light“-Project, an dem auch noch die Zeichner George Pratt und David von Bassewitz sowie Fotograf Wolf Böwe und Projektkoordinator Henning Ahlers teilnahmen, wagte einen Blick auf die durch von Drogen aufgeputschten Kindersoldaten verübten Kriegsgräuel, und deren künstlerische Umsetzung. Mit einem beeindruckenden Aufgebot an großen Namen wie unter anderem Lorenzo Mattotti, Greg Ruth oder Danijel Žeželj, die ohne Honorar am Versuch der Aufarbeitung eines kollektiven Traumas beteiligt sind, initiierte man einen Workshop, der nicht nur durch seine Thematik, sondern auch durch die Synthese der Umsetzung durch verschiedene Medien eine enorme künstlerische Herausforderung und Verantwortung darstellt. George Pratt äußerte sich denn auch dahin gehend, dass dieser Workshop seine Sicht auf die eigene Arbeitsweise entscheidend beeinflusste.

Nach dem empfehlenswerten Besuch des Black.Light Project-Workshops in den Räumen des Erlanger NH-Hotels sollte man den lärmenden Messetrubel für eine Weile meiden. Eine unfassbare Abgründigkeit menschlichen Vernichtungswillens zeigt sich dort in Werken, die eine Mixtur aus Reportage, Fotografie und Comic sind und in zukünftigen Ausstellungsprojekten wie auch in Buchform vermittelt werden sollen. Die Multimedia-Herangehensweise, die diesem einzigartigen Projekt zu Grunde liegt, setzt sich in den Statusmeldungen aus dem Workshop fort, die @GeorgeHPratt seit seiner Ankunft in Erlangen getwittert hat.

So lag es nah, auch Twitter, Facebook und ihren Nutzen für die Comics zu diskutieren. Nach einem einführenden Vortrag von @derhavas wurde sich unter Teilnahme von @laburrini , @Comicgate und @PaniniVerlag angeregt ausgetauscht, während auf einer Twitterwall im Hintergrund zum Hashtag #CSE12 Tweets von Tweeps in Echtzeit zu lesen waren.

Schlendern und Schlangestehen: Besucher vor den Ständen der Verlage Carlsen und Splitter.
Schlendern und Schlangestehen: Besucher vor den Ständen der Verlage Carlsen und Splitter.

© Lars von Törne

Sie haben nichts verstanden? Okay, nochmal mit Übersetzung: Harald Havas, österreichischer Publizist und überaus eifriger Nutzer sozialer Dienste untersuchte mit Hilfe der Comickünstlerin Sarah Burrini, dem Comicgate-Mitglied Thomas Kögel und dem Mann für Öffentlichkeitsarbeit beim Panini-Verlag, Steffen Volkmer, Zweck und Nutzen sozialer Netzwerke für das Medium Comic. Auf einer großen Leinwand im Hintergrund konnte man während der Diskussion Beiträge und Kommentare von Nutzern des Kurznachrichtenmitteilungsdienstes Twitter zur laufenden Diskussion verfolgen, wenn diese denn mit dem Kürzel #CSE12 gekennzeichnet waren, der für Comic Salon Erlangen 2012 steht. Es gab also Interessantes zu erfahren, wenn auch mehr über Twitter, wie zum Beispiel dessen Sinn als Medium für in Isolation befindliche Comic-Künstler. Allgemeingültiger thematisiert wurde auch die Wichtigkeit einer persönlichen Note eines zu Promotionszwecken genutzten Accounts, den Panini im Fall von Twitter laut Volkmer von „verlorenen Seelen“ beziehungsweise externen Mitarbeitern betreuen lässt, damit die eigenen Angestellten nicht der Twitter-Sucht verfallen - von der zumindest Sarah Burrini und Harald Havas sich befallen glauben.

Vielleicht aber sollte Panini seine Präsenzen in sozialen Netzwerken nach dem Vorbild von Marvel Comics ebenfalls personifiziert gestalten - Steffen Volkmer als deutsche Variante von @dreamyeyed würde Panini sicher noch mehr Follower bringen.

Ebenfalls von österreichischen Salon-Teilnehmern initiiert, war bei Gummi-Wörner die Ausstellung des Comic-Kollektivs Tonto zu bewundern, denen eine sehr eigene Herangehensweise an das Medium zu eigen ist: Hervorgegangen aus einem ursprünglich dem Punk und später der experimentellen Musik gewidmetem Projekt begann eine Zelle des Kreativorganismus sich der Produktion von Comics zu verschreiben, dem sich eine erfolgreiche Zellteilung anschloss. Das Ziel, die Entwicklung dieses Verlaufs nachzuzeichnen und außergewöhnliche Exponate aus der Historie dieses sequentiellen Laboratoriums zu präsentieren, ist der Werkschau sehr gut und dem Sujet entsprechend auf recht eigenwillige Weise gelungen. Beeindruckend die Arbeiten von diceindustries und Igor Hofbauer, dem am selben Ort noch eine Ausstellung im Zusammenhang mit dem kroatischen Comic-Kollektiv Komikaze gewidmet ist.  

Dem leichten Ruinencharme des Gummi-Wörner´schen Kellergewölbes gerecht werdend, haben die Kuratoren die Erklärungen zu den einzelnen Exponaten mittels Bleistift auf Wände und Tische geschrieben. Ein Kassettenrekorder bespielt das Interieur mit angemessenen Klängen, derweil man Kassetten und CDs aus der musikalischen Generierungsphase begutachten kann. Dieses Vorgehen verweist auch auf den Versuch, die Schnittstellen von Tonfolgen und grafischen Sequenzen auszuloten, deren Echo in „Noise“, dem aktuellen Tonto-Werk wiederzufinden sind, welches sich unter anderem auch mit remixten Dick Tracy-Strips befasst. Ein T-Shirt mit dem Tonto-Logo, dass durchaus Begehrlichkeiten zu wecken vermochte, sich aber dem käuflichen Erwerb und damit letztlich dem Kommerz durch Merchandising verschloss, fällt ebenso in die Kategorie Textiles wie ein Tuch, das nach graphischer Grundierung durch verschiedene Künstler, darunter Max Andersson, bestickt wurde. Erlangen-Besucher können ihn im Hof von Gummi-Wörner antreffen, wie auch die Begründer der Tonto-Comic-Zelle Edda Strobel und Helmut Kaplan. Ein T-Shirt werden die ihnen wohl auch nicht verkaufen.

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