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Zu gewinnen: Wir verlosen zehn Exemplare der Erlanger Comic-Blätter unter unseren Lesern.

© Lars von Törne

Comicsalon: Kehraus in Erlangen

Am Sonntag endete der 15. Internationale Comicsalon Erlangen mit einer Erfolgsbilanz. Hier weitere Impressionen vom Festival – und eine Verlosung exklusiver Comic-Sammlerstücke.

Zahlen, bitte! Zum Schluss des 15. Internationalen Comic-Salons Erlangen zogen die Veranstalter eine Erfolgsbilanz: Mehr als 25.000 Gäste sind in den vergangenen vier Tagen in das Kongresszentrum im Rathaus der mittelfränkischen Kleinstadt und die über die Stadt verteilten 24 Ausstellungen gepilgert und haben mehr als 150 Veranstaltungen des Rahmenprogramms besucht. Weiter wurden gezählt: 150 Aussteller, mehr als 400 Künstlerinnen und Künstlern und annähernd 1000 Signierstunden. Die Bilanz der Organisatoren: Offensichtlich wachse das Bedürfnis des Publikums stetig, sich vertiefend mit dem Medium Comic auseinanderzusetzen.

Eine weitere Zahl, die sich allerdings in der offiziellen Pressemitteilung nicht findet: An der Publikumsabstimmung über die wichtigste deutsche Comicauszeichnung, den Max-und-Moritz-Preis, bei der am Schluss der deutsche Manga „Grablicht“ gewann (mehr dazu hier), hatten sich in den Wochen vor Beginn des Salons gerade mal 1300 Menschen beteiligt, wie die Veranstalter am Sonntag auf Nachfrage mitteilten. Trotz der gewachsenen öffentlichen Aufmerksamkeit für den Comic im Allgemeinen und die Graphic Novel im Buchhandel und im Feuilleton im Besonderen erinnert die magere Beteiligung an diesem Votum daran, dass der Comic in Deutschland noch lange davon entfernt ist, ein Massenmedium zu sein. Die letzten Zahlen aus der Pressemitteilung der Veranstalter sind dann wieder eine gute Nachricht: Auch in zwei Jahren wird es wieder einen Comicsalon geben, dann zum 16. Mal. Er wird vom 19. bis 22. Juni 2014 in Erlangen stattfinden.

Eines der besonders interessanten Künstlergespräche am Wochenende wurde von „176-761“, pardon, Journalist Harald Havas in Panzerknacker-Kluft moderiert und bot mit den Brüdern Mau und Bas Heymans aus den Niederlanden sowie dem Finnen Kari Korhonen Vertreter der mittlerweile dritten Generation von Disney-Künstlern seit dem seligen Carl Barks auf. Die Comic-Sozialisation der beiden Heymans-Brüder verlief denkbar unterschiedlich: Während Mau schon als Schulkind mit dem Donald Duck-Virus infiziert wurde, interessierte sich dessen Bruder so gar nicht für die bunten Bilderwelten des Disney-Imperiums. Stattdessen zog es ihn in die Natur und wenn sein Bruder ihn nicht für Tuschezeichnungen seiner Comics herangezogen hätte, würde er heute sicherlich einen guten Naturmaler abgeben. Kari Korhonen, einer der besten zeitgenössische Disney-Autoren, der im Gegensatz zu den seit den Mittachtzigern für Disney aktiven Brüdern erst Anfang der 1990er Jahre begann, Entenhausen maßgeblich zu prägen, hat seitdem unter anderem das Universum um Donnie Duck, einen Donald in seinen Jugendjahren entworfen. Die Vaterschaft dieser von Donald-Puristen nicht unbedingt goutierten Erweiterung des Entenhausener Mikrokosmos kommentierte er mit einem „Ich bin unschuldig!“ das er kurz darauf mit einem „...aber wenn´s bezahlt wird.“ relativierte. Wobei das Schreiben grenzübergreifend übrigens schlechter bezahlt wird, als das Zeichnen, wie einvernehmlich mitgeteilt wurde.

Donald Duck am Fließband: Mau Heymans beim Signieren.
Donald Duck am Fließband: Mau Heymans beim Signieren.

© Lars von Törne

Nach einem kurzen Intermezzo über die Freiheiten bei der Figurengestaltung, bei dem nicht nur die Unterschiede zwischen den jeweiligen Disney-Dependancen in Finnland und den Niederlanden, sondern auch die oft abenteuerliche anmutenden Schnabel- und Halslängen  insbesondere in den Werken der Heymans-Brüder diskutiert wurden, mündete das Gespräch dann zwangsläufig in einer Diskussion über Fragen gerechter Entlohnung und den Rechten von Künstlern. Korhonen, der für Donnie Duck noch einige Nebenfiguren kreierte, hat über deren Weiterverwendung keinerlei Kontrolle. Eine prozentuale Beteiligung als Rechteinhaber ist nicht vorgesehen und Mau Heymans sowohl als Kari Korhonen befanden übereinstimmend, dass es doch unter Betrachtung existentieller Gesichtspunkte sicherer sei, bereits erfolgreiche Figuren künstlerisch zu betreuen, als das unwägbare Risiko einzugehen,  eine eigenen Serie zu etablieren.

Dem setzte Bas Heymans entgegen, das unabhängig von dieser Gretchenfrage eine fortlaufende Vergütung der Urheberrechte an von ihm selbst erdachten Figuren es ihm nicht nur erleichtern würde, seine Familie zu ernähren, sondern ebenfalls eine Konzentration auf die Verbesserung seiner zeichnerischen Fähigkeiten  zur Folge haben würde. Stattdessen sei er gezwungen, ständig Unmengen von Seiten zu produzieren, was ihm überdies eine Teilhabe am familiären Leben erschweren würden. Für ein Unternehmen wie Disney, welches seit Jahrzehnten das Gesellschaftsmodell der Familie propagiert, wäre dies wohl die breitenwirksamste Form von Social Sponsoring, die ein Arbeitgeber betreiben könnte. Es gibt eben nicht nur Onkel und Neffen, sondern auch Mütter, Väter, Töchter und Söhne.

Ein weiterer Global Player im Segment Comic-Entertainment präsentierte sich dann, als die Gesprächsrunde zum Neustart des DC-Universums anstand, moderiert von Comixene-Redakteur Jörg Krismann. Nachdem sich der Saal recht schnell mit symbolverzierten Anhängern diverser DC-Franchises gefüllt hatte, nutzte Krisman die aktuelle EM bei der Vorstellung seiner Gäste, um den gegenwärtigen Zeichner von Supermans Auftritt in „Action Comics“, Rags Morales als „Linksverteidiger“ vorzustellen. Neben diesem saßen Produktmanager Thomas Kleinheinz von Panini sowie der „Catwoman“-Zeichner Guillem March. Danach begann Krismann ein über die Jahre durch verwirrende Verzahnungen immer undurchschaubarer gewordenes Superhelden-Universums zu beschreiben: Man erfuhr so von einer fehlenden nachwachsenden Generation im Geschäft mit den Superhelden, dem man mit diesem Neustart von 52 Serien begegnete. Die „begeisternden Verkaufszahlen“ des bei einigen Figuren wie Batman weniger, bei Superman mehr konsequent vollzogenen Relaunchs der Figurenhistorie anführend, erklärte Thomas Kleinheinz, warum Panini in Deutschland eine ungewöhnlich große Menge an DC-Titeln auf den Markt bringen wird. Dass diese hohen Absätze der ersten Ausgaben dem Effekt der Neugier geschuldet waren, wie man mittlerweile an Hand der wieder zurückgegangenen Verkaufszahlen, als auch durch bereits erste Einstellungen neu gestarteter Serien in den USA feststellen kann, schien bei dieser Entscheidung wohl keine Rolle gespielt zu haben. Ebenso die Ergebnisse einer Analyse des Neustartes des Niesen-Institutes, welche hier nachgelesen werden kann. Von massiver Leserneugewinnung, insbesondere weiblicher, kann demnach nicht die Rede sein. Doch was hatten die Zeichner mitzuteilen?

Nun, „Catwoman“-Zeichner Guillem March zeichnet gerne Frauen - was man ja schon irgendwie geahnt hat - und Rags Morales hat den verjüngten Superman des Neustart grafisch als eine Mischung aus Elvis Presley und Al Capps berühmter Zeitungscomicstrip-Figur  „Lil´ Abner“ angelegt – daher die schweren Arbeitsschuhe und Jeanshosen. Auch hier wurde über Beschränkungen durch redaktionelle Vorgaben diskutiert, so musste March seine ursprünglich mit mehr nackter Haut umgesetzte Darstellung des über den Dächern von Gotham City vollzogen Geschlechtsaktes zwischen Catwoman und Batman züchtiger umsetzen, was zu der Frage geführt haben soll, wie man bei voller Kostümierung eigentlich Sex ausüben kann und Morales schilderte die ihm endlos erschienenen Diskussionen mit den Redakteuren über die nicht  zufriedenstellende Länge von Supermans Cape. Diese auf schlechte firmeninterne Kommunikationsstrukturen hinweisenden Ereignisse führen bei Rags Morales in der Regel zu einem Arbeitstag von 14 Stunden. Als Kompensation für derlei durchlittene Querelen fügt der aus Spanien stammende March gerne mal mallorquinisches Kunsthandwerk in die Hintergründe seiner Panels ein und Morales nutzt seine Familie, sich oder die Simpsons als Vorlagen für Statisten in seinen Zeichnungen. Themen wie Ethnie oder Geschlecht seien in der DC-Welt übrigens auch kein Thema, wie von einigen behauptet, so Morales weiter. Wenn dem tatsächlich so ist, bleibt es also zumindest spannend zu verfolgen, ob es DC und damit auch Panini mit einem weiterhin überwiegend von männlichen, weißen und heterosexuellen Figuren bestimmten Figurenpark gelingen wird, den angekündigten Kampf um neue Leserschichten gewinnen.  

Der andere Charles Burns: In der Ausstellung des Comic-Großmeisters zeigt er auch Fotoinstallationen und Filme.
Der andere Charles Burns: In der Ausstellung des Comic-Großmeisters zeigt er auch Fotoinstallationen und Filme.

© Carolyn von Törne

Eine der beruhigenderen Nebenerkenntnisse des diesjährigen Comicsalons war, dass auch ein Perfektionist wie Charles Burns sich mal verzeichnet. Das hätte man bei der Lektüre seiner bis ins letzte Detail makellos wirkenden Meisterwerke wie „Black Hole“ oder zuletzt der neuen Alben „X“ und „Die Kolonie“ eigentlich nicht erwartet. Dort scheint jeder Strich von Anfang an an der richtigen Stelle zu sitzen, Spuren menschlicher Handarbeit sind zumindest bei den gedruckten Endergebnissen nicht mehr zu sehen. Bei der großen Burns-Werkschau, die es nach dem Debüt in Brüssel im Vorjahr jetzt in Erlangen zu sehen gab, konnte man sich jedoch anhand von Skizzen und retuschierten Zeichnungen davon überzeugen: Der aus Philadelphia angereiste Künstler, der in Kürze auch in Berlin noch mal vor großem Publikum über seine Arbeit spricht, scheint zwar nach seinen Büchern zu urteilen zeichnerisch eine fast roboterhafte Perfektion erreicht zu haben, ist aber in Wirklichkeit doch auch nur ein Mensch, der sich Strich für Strich seinem Thema nähert und hin und wieder sogar am eigentlich fertigen Endprodukt noch letzte Korrekturen vornimmt, also im Grunde ein solider Handarbeiter. Nur eben einer der besten der Welt. Was er im Künstlergespräch zu seiner Arbeit zu sagen hatte, gibt es in Kürze in einer Transkription auf den Tagesspiegel-Comicseiten zu lesen. Am Sonntag machte sich Burns übrigens nicht gleich auf den Heimweg in die USA, sondern fuhr nach Berlin. Denn dort kann man ihn noch einmal an diesem Dienstag, dem 12. Juni, ab 20.30 Uhr im Studio es Heimathafens in Berlin-Neukölln live sehen. Dort spricht er mit dem Journalisten Christian Schlüter über seine Arbeit, Tickets zu 8 (ermäßigt 5) Euro gibt es unter Telefon (030) 61 10 13 13, im Internet unter www.koka36.de sowie an der Vorverkaufskasse des Heimathafens Neukölln, Karl-Marx-Straße 141, Vorderhaus, 3. Stock, Tel. (030) 56 82 13 33.      

Von der Rolle: Cosplayer wie diese zwei gehören zur Erlangen-Folklore.
Von der Rolle: Cosplayer wie diese zwei gehören zur Erlangen-Folklore.

© Carolyn von Törne

Zum Abschluss unserer Erlangen-Splitter noch ein Trostpflaster für alle, die den Comicsalon verpasst haben: Wir verlosen unter unseren Lesern zehn Exemplare der „Erlanger Comic-Blätter“, einer ausschließlich aus Zeitungs-Comic-Strips bestehenden Zeitung, die die exklusive für den Salon produziert wurde und nur dort erhältlich war. Das Cover schmückt ein Strip aus Flix’ soeben mit dem Max-und-Moritz-Preis gekürter Tagesspiegel-Serie „Schöne Töchter“. Wer ein Exemplar gewinnen will, sende uns eine E-mail an comics@tagesspiegel.de, Betreff: Erlanger Comic-Blätter. Die ersten zehn Einsender gewinnen. Bitte Namen und Anschrift nicht vergessen.

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